Analyse Das tunesische Vorbild ist bedroht

Düsseldorf · In Tunesien nahm der "Arabische Frühling" seinen Anfang. Und nur hier ist er noch nicht in Gewalt geendet. Wohl gerade deswegen wird das Land zunehmend zum Ziel von Terroranschlägen.

Es hat 24 Stunden gedauert, bis sich die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) zu dem Blutbad unter westlichen Urlaubern bekannt hat, das eine Gruppe von Bewaffneten am Mittwoch in Tunis angerichtet hat. Die Folgen könnten für das kleine Tunesien mit seinen elf Millionen Einwohnern dramatisch sein. Der Tourismus ist eine der wichtigsten Stützen der siechen Wirtschaft. Wenn die Täter das Land destabilisieren wollten, und dafür spricht alles, dann haben sie das perfekte Ziel getroffen. Denn das Attentat und seine Auswirkungen auf die Volkswirtschaft könnten nun auch Tunesien über kurz oder lang in den Abgrund reißen - ausgerechnet das Land, das den steinigen Weg aus der Diktatur in die Demokratie bisher als einziger arabischer Staat ohne Bürgerkrieg oder Militärputsch gemeistert hat.

In Tunesien nahm der "Arabische Frühling" 2011 seinen Anfang, nur hier ist er noch nicht in Gewalt geendet. Doch die Sorge ist groß, dass sich dies schon bald ändert. Extremistische Gruppen, die in Tunesien bisher keine große Rolle spielten, haben zuletzt erheblichen Zulauf erhalten. Die Zahl der Anschläge, die sich vorwiegend gegen die Sicherheitskräfte richteten, nahm in den vergangenen zwei Jahren stark zu. So starben im Grenzgebiet zu Algerien im vergangenen Sommer 14 Soldaten, die in einen Hinterhalt geraten waren. Aus dem benachbarten Libyen, das zusehends im Chaos versinkt, kommen Waffen ins Land, erste Kommandos des IS haben sich dort eingenistet.

Als die Schüsse in Tunis fielen, beriet das Parlament gerade über ein Anti-Terror-Gesetz. Denn das wahre Sicherheitsrisiko liegt im Land selbst. Von dort sind Tausende junge tunesische Männer aufgebrochen, um im syrischen Bürgerkrieg zu kämpfen. Viele von ihnen haben nach dem Sturz von Machthaber Ben Ali ihre Jobs verloren - sie sind leichte Opfer für die Werber der islamistischen Milizen.

Tunesien, das letzte Vorzeigeland des "Arabischen Frühlings", steht auf der Kippe und braucht Hilfe. Hilfe beim Kampf gegen den Terror. Vor allem aber Hilfe, um sich wirtschaftlich zu stabilisieren.

(RP)
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