Folgen für Industrie, Handwerk - und für Russland selbst Das stumpfe Schwert der Sanktionen

Düsseldorf · Falls Russland die Ukraine angreift, will der Westen mit Strafen antworten. Die können einzelne Firmen hart treffen, nicht aber die Gesamtwirtschaft. Das internationale Zahlungssystem Swift soll ohnehin offen bleiben. Merz erklärte bereits, warum.

In Lubmin kommt die Ostseepipeline Nord Stream 2 an.

In Lubmin kommt die Ostseepipeline Nord Stream 2 an.

Foto: dpa/Stefan Sauer

Wenn Russland ernst macht und die Ukraine angreift, will der Westen mit harten Sanktionen antworten. Doch was liegt wirklich auf dem Tisch? Und wen trifft es?

Nord Stream 2 Als plakativste Maßnahme dürfte der Westen die Pipeline Nord Stream 2 stoppen. Sie ist betriebsbereit, hat aber noch kein grünes Licht. Auf die aktuelle deutsche Gasversorgung hätte das keine Auswirkung, so lange die Russen nicht mit einem Lieferstopp durch die anderen Pipelines (Nord Stream 1, Jamal) antworten. Dann aber wären die Konsequenzen gravierend: Russland deckt 40 Prozent des deutschen Erdgas-Bedarfs.

Ein Problem wäre ein Stopp von Nord Stream 2 für westeuropäische Finanzinvestoren, darunter den Düsseldorfer Energiekonzern Uniper. Er hat knapp eine Milliarde Euro in die Pipeline investiert. Bliebe die auf Dauer dicht, müsste Uniper wie Wintershall Dea, Engie, OMV und Shell entsprechend hohe Abschreibungen vornehmen. „Es ist unbestritten, dass die neue Pipeline einen wichtigen Zugang zu russischen Gasquellen darstellt und daher zur Sicherheit der Gasversorgung in Europa beiträgt“, mahnte ein Uniper-Sprecher. „Die Pipeline ist Teil der Energiepartnerschaft mit Russland, die für Europa und für uns als Unternehmen einen hohen Wert hat.“

Handelsbeschränkungen Schon nach der Annexion der Krim war der Handel mit Russland beschränkt worden. Nun könnten weitere Export- und Import-Verbote kommen. Einzelne Unternehmen trifft das hart. Bei einer Umfrage des Ifo-Instituts in Zusammenarbeit mit der IHK Düsseldorf gaben vor allem Unternehmen aus Sachsen an, schwer von der Krim-Annektion 2014 betroffen zu sein. Hier spiegeln sich traditionelle Handelsbeziehungen wider. Aber auch NRW-Unternehmen sind betroffen. Insgesamt aber haben die Sanktionen kaum Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft: Russland belegt im Länderranking der wichtigsten Partner nicht einmal einen der zehn ersten Plätze. Die russische Wirtschaft würde es etwas mehr treffen: „Die Ergebnisse zeigen, dass Russland einseitig von der EU als Zulieferer und als Abnehmer abhängig ist, während Russland für die EU eine untergeordnete Rolle als Handelspartner spielt“, schreiben die Ifo-Forscherinnen. Für die betroffenen Unternehmen ist der Schaden gleichwohl da. Denn das Bundeswirtschaftsministerium betont: „Für Sanktionsmaßnahmen wird von der Bundesregierung kein Schadenersatz geleistet.“ Jedes Unternehmentrage die allgemeinen Risiken eines Auslandsgeschäfts, für das sich die Bedingungen rasch ändern können, selbst.

Exportstopp für Gas und Kohle Eine Beschränking der Energie-Exporte würde die russische Wirtschaft stark treffen. Das Land lebt seit Jahrzehnten in starkem Maße vom Export seiner Energien und Rohstoffe. Trotz der Versuche, die russische Wirtschaft auf mehr Beine zu stellen, stammen noch immer 46 Prozent der Einnahmen des russisches Staates aus dem Verkauf von Öl und Gas, wie es in einem Bericht des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags heißt. Nur: Der Westen wird aus Eigeninteresse die Sanktionen hier nicht scharf ansetzen. Der Winter ist noch nicht vorbei, die deutschen Gasspeicher sind nur noch zu 32 Prozent gefüllt. Alternative Energiequellen wie Flüssiggas können nicht in dem Umfang und schon gar nicht so schnell für Ersatz sorgen, von den höheren Kosten ganz zu schweigen. „Wir brauchen russisches Erdgas“, betont RWE-Chef Markus Krebber immer wieder.

Ausschluss vom internationalen Zahlungsverkehr Diese Maßnahme wurde wegen ihrer Wirksamkeit intensiv diskutiert: Wenn der Westen Russland vom internationalen Zahlungsverkehrs-System Swift abklemmt, käme der Handel nahezu zum Erliegen. Dann könnten russische Exporteure faktisch keine Zahlungen mehr aus dem Westen erhalten, es sei denn ganz mittelalterlich per Kurier. Doch weil keiner abschätzen kann, wie sich eine solche Maßnahme auf das globale Finanzsystem auswirkt, hat der Westen davon bereits wieder Abstand genommen. „Swift infrage zu stellen, das könnte die Atombombe für die Kapitalmärkte und auch für die Waren- und Dienstleistungsbeziehungen sein“, hatte CDU-Chef Friedrich Merz schon vor Wochen gewarnt. „Es würde Russland treffen. Aber wir würden uns selbst erheblich schaden.“

Sanktionen gegen Oligarchen Wie schon in der Krim-Krise könnte der Westen die Guthaben von weiteren russischen Oligarchen oder Banken im Ausland einfrieren. Auch das tut den Betroffenen punktuell weh. Einen breiten Effekt hatten diese Sanktionen aber nicht.

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