Analyse Das politische Kohle-Dreieck der SPD

Berlin · Die drei SPD-Landespolitiker Kraft, Maas und Woidke haben sich bei den Koalitionsverhandlungen für die traditionelle Energiewirtschaft eingesetzt. Schwarz-Rot prüft nun neue Subventionen für Kohle- und Gaskraftwerke.

Analyse: Das politische Kohle-Dreieck der SPD
Foto: dpa, Staatskanzlei Nrw

Wie eine wütende Furie blickt Hannelore Kraft von den Plakaten und Tageszeitungs-Anzeigen des linksalternativen Kampagnenbüros "Campact". Neben dem Konterfei der nordrhein-westfälischen SPD-Ministerpräsidentin steht in großen Buchstaben geschrieben: "Kohle-Kraft stoppen!". Die Kampagne gegen Kraft und ihre Energiepolitik läuft seit Wochen, das Plakat tragen die Anti-Braunkohle-Protestler, wenn sie in Berlin vor den Reichstag ziehen oder in Düsseldorf vor den Landtag. Und es ziert die großen Tageszeitungen, in denen großflächige Anzeigen geschaltet wurden.

Tatsächlich hat sich Nordrhein-Westfalens Landeschefin bei den Berliner Koalitionsverhandlungen bereits erkennbar und mit einigem Erfolg für die Interessen der Betreiber der großen Kohle- und Gaskraftwerke eingesetzt, für Konzerne wie RWE oder Eon, die ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen haben. Ihr zur Seite standen dabei in der Arbeitsgruppe Energie die Vertreter kleinerer Kohle-Länder, der saarländische Wirtschaftsminister Heiko Maas und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (beide SPD). Woidke hatte vor Verhandlungsbeginn sogar noch den SPD-Umweltpolitiker Ulrich Kelber von seinem Platz verdrängt, der eigentlich als Mitglied der Arbeitsgruppe vorgesehen war. Das kam nicht von ungefähr. Der Bonner Abgeordnete Kelber setzt sich seit Jahren für die erneuerbaren Energien wie Windräder und Solarkraftwerke ein. Er passte nicht in die sozialdemokratische Kohle-Front.

Siegespunkte möglich

Das neu formierte Kohle-Dreieck der drei Landespolitiker konnte indes im Abschlusspapier der von Kraft und Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) geleiteten Arbeitsgruppe wichtige kohlepolitische Siegespunkte bereits erringen. Zwar ist die Einführung von Subventionen für konventionelle Kohle-Kraftwerke, die unrentabel sind und dennoch am Netz bleiben sollen, vorerst strittig geblieben. Sie soll aber am Ende der Koalitionsverhandlungen von den drei Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) entschieden werden. Und die Chancen für neue Kohlehilfen stehen nicht schlecht.

"Die konventionellen Kraftwerke (Braunkohle, Steinkohle, Gas) als Teil des nationalen Energiemixes sind auf absehbare Zeit unverzichtbar", heißt es im Beschlusspapier der Arbeitsgruppe Energie, das vergangene Woche von der großen Runde der 75 Politiker von Union und SPD gebilligt worden war. Erneuerbare Energien könnten "noch nicht entscheidend zur Versorgungssicherheit beitragen", solange keine Speicher ausreichend und kostengünstig zur Verfügung stünden.

Ein Wörtchen mit viel Bedeutung

Daraus ergebe sich, dass die konventionellen Kraftwerke — die herkömmlichen und weniger klimafreundlichen Kohle- und Gaskraftwerke — noch für längere Zeit gebraucht würden. "Wir brauchen verschiedene Mechanismen, mit denen die jeweils erforderlichen Kapazitäten langfristig am Markt gehalten werden können", schreiben Union und SPD in ihrem Papier. Das Wörtchen "langfristig" dürfen Kraft, Maas und Woidke durchaus als ihren Erfolg verbuchen, schließlich gibt die mögliche große Koalition damit den Kohle-Kraftwerken eine Überlebensgarantie, die ihnen im Rahmen der Energiewende bislang nicht zugedacht war.

Höchst strittig blieb allerdings, wie die künftige Koalition Kohle-Konzernen wie RWE und Eon helfen will. Die Lösung des Kohle-Dreiecks sind Subventionen. Ausdrücklich ließen Kraft, Maas und Woidke in den Abschlusstext den Satz schreiben: "Es ist mittelfristig ein Kapazitätsmechanismus zu entwickeln, der nicht in erster Linie neue Kraftwerkskapazitäten anreizt, sondern den wirtschaftlichen Betrieb der notwendigen bestehenden konventionellen Kraftwerke ermöglicht."

Die Union ist gegen diese definitive Festlegung eines "Kapazitätsmechanismus", der darauf hinauslaufen würde, dass die Stromverbraucher künftig auch dafür bezahlen, dass RWE, Eon und Co. unrentable und klimaschädliche Kohle-Kraftwerke am Netz halten, um mögliche Strom-Engpässe im Jahr ausgleichen zu können.

Unterschiedliche Ansichten

Doch immerhin haben Kraft, Maas und Woidke schon erreicht, dass sich auch die Union an dieser Stelle bereits bewegt. "Wir prüfen die Einführung von Kapazitätsmechanismen, um gegebenenfalls bis spätestens Ende 2015 eine gesetzgeberische Entscheidung für eine kosteneffiziente Lösung zu treffen", hat Umweltminister Altmaier für die Union in das Papier geschrieben.

Ein Gutachten des wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium kam zwar am Freitag zu dem Schluss, dass neue Subventionen für alte Kohle-Kraftwerke durchaus nötig sein könnten, um mögliche Versorgungsengpässe in der Zukunft auszuschließen. Das Bundeswirtschaftsministerium selbst widerspricht allerdings dieser Analyse.

Es ist wie auch Altmaier zu der Überzeugung gelangt, dass ein Versorgungsengpass selbst in kalten Wintern auch dann noch ausgeschlossen sein wird, wenn im Jahr 2024 endgültig das letzte deutsche Atomkraftwerk vom Netz geht. Deutschland produziere zu viel Strom und könne Überkapazitäten getrost abbauen, brauche mithin die alten, unrentablen Kohle-Kraftwerke nicht mehr, heißt es in einem internen Vermerk des Wirtschaftsministeriums, der unserer Zeitung vorliegt.

Ohnehin sei es falsch, bei der Stromversorgung nur national zu denken. "Eine rein nationale Sichtweise für Versorgungssicherheit ist nicht zielführend, da der deutsche Kraftwerkspark nicht als Insel vom europäischen Kraftwerkspark getrennt werden kann", schreiben die Ministerialen. Die Strom-Reserven, mit denen Kraft, Maas und Woidke neue Subventionen begründen, gäbe es notfalls noch woanders in Europa. Eine Option, die dem Kohle-Dreieck überhaupt nicht passt.

(mar)
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