Analyse zur Ministerpräsidentin von NRW Das Jahr 2014 könnte für Kraft heikel werden

Düsseldorf · Auf die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin kommen in diesem Jahr schwerwiegende Entscheidungen und Probleme zu. Derweil läuft sich CDU-Landeschef Armin Laschet warm. Sein Ziel: 2017 Rot-Grün abzulösen und selbst Regierungschef zu werden.

 Ministerpräsidentin Hannlore Kraft hat 2014 eine Menge Baustellen.

Ministerpräsidentin Hannlore Kraft hat 2014 eine Menge Baustellen.

Foto: dpa, Rolf Vennenbernd

Zugegeben: In viereinhalb Minuten kann man nicht alle Schwerpunkte der Landespolitik aufzählen. Dennoch fiel auf, dass Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) in ihrer Neujahrsansprache das Stichwort "Inklusion" nicht erwähnte, obwohl das neue Jahr für Schüler mit Behinderung von großer Bedeutung sein wird. Zum Schuljahr 2014/15 bekommen die Eltern in NRW das Recht zu entscheiden, ob ihr behindertes Kind die Klasse eins (oder fünf) einer Förderschule oder einer Regelschule besuchen soll.

Bis dahin müssen die Kommunen noch große Anstrengungen unternehmen, um den Rechtsanspruch einlösen zu können. Das Land will ihnen kein zusätzliches Geld geben, weil es behauptet, dass es sich nicht um eine neue Aufgabe handle. Die Kommunen pochen dagegen darauf, dass das Land verpflichtet sei, für Aufgaben, die es ihnen überträgt, die Mittel bereitzustellen.

Der Friede zwischen Städten und Land ist brüchig

Zwar haben die Städte einstweilen eine Art Stillhalteabkommen mit der Landesregierung geschlossen, doch der Friede ist brüchig: Sollten die Kosten — was absehbar ist — von ihnen allein nicht zu stemmen sein und sollte das Land sich weiter querlegen, wollen sie vor dem Verfassungsgerichtshof (VGH) in Münster klagen. Für Hannelore Kraft, die stets betont, NRW wolle "kein Kind zurücklassen", wäre ein solcher Rechtsstreit politisch heikel.

In Münster muss in diesem Jahr auch über die Klage von CDU und FDP gegen die beiden Nullrunden entschieden werden, die Rot-Grün den angeblich besserverdienenden Beamten aufgezwungen hat. Kraft selbst gibt sich gelassen. Sie glaube nicht daran, dass das Gericht die Entscheidung kippt — "sonst hätten wir sie nicht getroffen", sagte sie im Interview mit unserer Zeitung.

Viele Beamte sind sauer

Nach Auskunft des Oberverwaltungsgerichts ist allerdings im Frühjahr noch nicht mit einem Urteil des VGH zu rechnen. Doch wie auch immer Münster entscheidet: Einen Großteil der Beamtenschaft hat die Landesregierung mit ihrer rigiden Sparaktion nachhaltig gegen sich aufgebracht. Hinzu kommt neuer Streit um das "Zukunftsgesetz", das von den Hochschulen als Gängelung abgelehnt wird. Fragt sich nur, inwieweit sich dies alles auf die Kommunalwahl am 25. Mai auswirken wird. Auch der Streit um den "Kommunal-Soli" könnte dabei eine Rolle spielen: Zahlreiche Kommunen wollen gegen die "Zwangsabgabe" klagen, die sich für die steuerstarken Städte pro Jahr auf 91 Millionen Euro summiert.

Problematisch wird es für NRW, wenn die EU-Kommission die Befreiung energieintensiver Unternehmen von der EEG-Umlage als unzulässige Beihilfe verwerfen sollte. In diesem Fall wären Tausende von Arbeitsplätzen in Gefahr, heißt es in Regierungskreisen.

Sie galt als heimlicher Joker der SPD

Mit ihrer Aussage, sie werde "nie, nie" als Kanzlerkandidatin der SPD zur Verfügung stehen, hat Hannelore Kraft im Dezember für Verblüffung gesorgt, galt sie doch als heimlicher Joker der Partei. Sie ist zwar Koordinatorin der SPD-geführten Länder im Bundesrat, doch das Klima in Berlin behagt ihr nicht. Dort gebe es ein "raues Umfeld", rief sie unlängst CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann bei dessen letztem Auftritt im Düsseldorfer Landtag zu — und schenkte ihm den Engel-Anhäger, den sie bis dahin an ihrer Halskette getragen hatte.

Es sind Gesten wie diese, die der Frau aus dem Ruhrpott viel Sympathie einbringen. Sie versteht es, sich blitzschnell auf die jeweilige Umgebung einzustellen und — darin Johannes Rau sehr ähnlich — auf die Menschen zuzugehen. Im ZDF-"Politbarometer" rangierte sie im Dezember zusammen mit Wolfgang Schäuble unverändert an zweiter Stelle hinter Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Die erste Bundespräsidentin?

Auch wenn Hannelore Kraft beteuert, ihr Platz sei in Nordrhein-Westfalen, traut man ihr doch zu, für 2017 das Bundespräsidialamt anzupeilen. Sie wäre die erste Frau im höchsten Staatsamt. Aber natürlich weiß sie, dass man sich darum nicht öffentlich bewirbt.

Während Krafts politische Zukunft Fragen aufwirft, sind bei der CDU nach dem Rückzug Laumanns die Würfel gefallen: Sein Nachfolger Armin Laschet, der auch den Landesverband führt, wird bei der NRW-Wahl 2017 als Spitzenkandidat für einen Regierungswechsel kämpfen. Bis dahin muss er sich weiter profilieren. Für Kraft ist er kein leichter politischer Gegner, denn Laschet beherrscht den rhetorischen Schlagabtausch mit Degen und Florett. Eine erste Kostprobe in neuer Funktion hat er bereits abgeliefert, indem er sich über Krafts Verzicht auf die Kanzlerkandidatur lustig machte: Für ihn ist das ein Akt der "Selbstverzwergung".

(hüw)
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