Auftakt für die große Koalition Das 100-Tage-Programm von Schwarz-Rot
Berlin · Die Prestigeprojekte der großen Koalition sind die Mütterrente bei der Union und der Mindestlohn bei der SPD.
Bislang war an der sogenannten großen Koalition nur der Beratungsbedarf groß. In den nächsten Wochen will Schwarz-Rot eine Reihe wichtiger Projekte anschieben.
Verkehr Schon im kommenden Jahr soll eine Maut auf deutschen Autobahnen gelten. Die Hürden dafür sind hoch. Der neue Verkehrsminister Alexander Dobrindt muss sich sputen. Sein Vorgänger Peter Ramsauer konnte dafür keinen überzeugenden Plan vorlegen und wurde von CSU-Chef Horst Seehofer mit Amtsentzug bestraft. Priorität hat zudem die Mietpreisbremse, erfunden von der SPD und für gut befunden von CDU und CSU.
Energiewende Angesichts steigender Energiepreise soll die Reform der Ökostrom-Förderung schon in den ersten 100 Tagen umgesetzt werden. Die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) soll bis Ostern 2014 fertiggestellt sein, damit ein mögliches EU-Verfahren gegen die Subventionen für Ökostrom-Anbieter ausgehebelt werden kann. Dass der neue Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) nicht nur, wie im Koalitionsvertrag festgehalten, Betreiber fossiler Kraftwerke mit staatlicher Hilfe unterstützen, sondern auch die Energiewende vorantreiben will, zeigt die überraschende Berufung des grünen Energieexperten Rainer Baake zum Staatssekretär. An den Ausnahmen für die stromintensive Industrie wollen Union und SPD in jedem Fall festhalten. Auch dazu muss rasch gesetzliche Klarheit geschaffen werden. Vor allem NRW-Regierungschefin Hannelore Kraft dringt darauf. Entscheidend dürfte für Sigmar Gabriel sein, den rot-grün dominierten Bundesrat für seine Reformen zu gewinnen.
Arbeit Es gilt als sicher, dass die neue Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) den Mindestlohn als eines ihrer ersten Projekte anpacken wird. Ab dem 1. Januar 2015 sollen 8,50 Euro pro Stunde als Mindestlohn gelten. Es gibt dazu aber noch viel Diskussionsbedarf unter den Koalitionären.
Rente Viele teure Rentenprojekte sind geplant. Dafür wird in dieser Woche erst einmal per Gesetz eine Beitragssatzsenkung verhindert: Das Geld soll in der Rentenkasse bleiben. Ab dem 1. Januar 2014 müssen 6,6 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr für die Mütterrente aufgebracht werden. Auch die Erwerbsminderungsrente soll zu diesem Zeitpunkt aufgestockt werden.
Verteidigung Die neue Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) muss bis Ende Februar die Verlängerung des Afghanistan-Mandats auf den Weg bringen. Bis zum Frühjahr braucht sie zudem einen Abzugsplan für die Soldaten aus Afghanistan. Die Bundeswehr soll nur zur Ausbildung und Beratung afghanischer Truppen im Land bleiben.
Gesundheit Der Zwangsrabatt für Arzneimittel, der den Krankenkassen viel Geld spart, soll verlängert werden. Die Frist dafür ist allerdings knapp.
Pflege Die Regierung will in der Pflegeversicherung so rasch wie möglich die Leistungen verbessern. Der Beitragssatz soll dafür in zwei Schritten um insgesamt 0,5 Prozentpunkte steigen, erstmals um 0,3 Prozentpunkte zum 1. Januar 2015.
Finanzen Wolfgang Schäuble, der neue und alte Bundesminister für Finanzen, ist bereits wieder in Sachen Euro-Rettung unterwegs. Nach der Ministervereidigung heute reist der 71-jährige CDU-Grande zum Finanzministertreffen nach Brüssel. Dort wollen die Euro-Finanzressortchefs endlich die Bankenunion unter Dach und Fach bringen und einen Abwicklungsmechanismus für marode Banken beschließen, um so die Steuerzahler bei künftigen Finanzkrisen vor einer Mithaftung zu schützen. Außerdem muss Schäubles Ministerium den Haushalt 2013 an die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung und die Steuereinnahmen anpassen, und das Kabinett muss das Zahlenwerk neu beschließen. Schäubles Rolle wird vor allem vom Wirtschaftsflügel der Union mit Hoffnungen begleitet. Der CDU-Mann soll die Ausgabenpläne aus den SPD-geführten Arbeits- und Energieministerien notfalls eindampfen.
