Erst Kanzleramt, jetzt DB-Vorstand Darf Ronald Pofalla zur Bahn wechseln?

Berlin · Anti-Lobby-Organisationen und die Opposition fordern eine Sperrzeit für den Ex-Kanzleramtsminister von mehreren Jahren vor einem möglichen Wechsel zur Bahn. Über seinen Tisch gingen bahnpolitische Entscheidungen.

Ronald Pofalla, der noch bis Mitte Dezember die rechte Hand der Kanzlerin war und nun möglicherweise Vorstand der Deutschen Bahn werden soll, hat eine Welle der Empörung ausgelöst. Die Organisation Lobbycontrol, etliche Oppositionspolitiker, aber auch Vertreter der großen Koalition warfen Pofalla und der Bahn vor, mit dem bevorstehenden Wechsel gegen die guten Sitten zu verstoßen.

"Da entsteht der Eindruck, dass der bisherige Kanzleramtsminister gezielt gekauft wird", sagte der parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Ulrich Kelber (SPD). Mindestens müsse Pofalla sein Bundestagsmandat abgeben, sollte er tatsächlich zur Bahn gehen, sagte Partei-Vize Armin Laschet, ein Parteifreund Pofallas. Dies gilt auch bei anderen CDU-Politikern als Mindestbedingung für einen Wechsel in die Wirtschaft.

Bahn bestätigt Personalie nicht

In Kleve, wo der 54-Jährige ein Direktmandat gewann, seien viele Wähler irritiert von Pofalla, schließlich hätten sie ihn als Vertreter im Parlament und in der Regierung gewollt, erklärte der CDU-Kreisverband. Als möglicher Nachrücker im Bundestag wird der Dortmunder Christdemokrat Torsten Hoffmann gehandelt.

Die Bahn wollte die Spitzenpersonalie weiterhin nicht bestätigen. Pofalla selbst ist im Urlaub und schweigt. Die Bundesregierung verweigert jeden Kommentar. Das werde sie erst tun, wenn der Bahn-Aufsichtsrat Ende März wirklich eine Entscheidung gefällt habe. "Es gibt zurzeit keinerlei Entscheidungsnotwendigkeit", sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter. Er hob hervor, dass Pofalla dem Kabinett nicht mehr angehöre. Es handele sich also nicht um einen direkten Wechsel aus einem Amt in ein anderes. Was Pofalla tue oder nicht tue, liege nicht in der Hand der Bundesregierung.

Für Pofalla und Merkel ist das Bekanntwerden des möglichen Job-Wechsels äußerst unangenehm. Die Personalie verstärkt den Eindruck, die Regierungsspitze kenne keine Prinzipien — insbesondere nicht, wenn es darum geht, verdiente Mitarbeiter der Kanzlerin mit lukrativen Posten abzufinden. Nach dem Wechsel des Staatsministers im Kanzleramt, Eckart von Klaeden (CDU), der im November zum Autokonzern Daimler ging, wäre Pofallas Wechsel der zweite aus dem Machtzentrum direkt zu einem Großunternehmen innerhalb weniger Monate.

Pofalla würde deutlich mehr verdienen

Bei der Bahn könnte Pofalla genauso viel verdienen wie seine Vorstandskollegen dort. Die kassieren laut Geschäftsbericht jährlich zwischen 1,3 und 1,8 Millionen Euro — das Zehnfache dessen, was Pofalla bisher verdient hat. "Es kann nicht sein, dass Großunternehmen wie Daimler oder die Bahn sich mit hohen Gehältern Insiderkontakte zur Bundesregierung einkaufen", kommentierte die Organisation Lobbycontrol.

Wechsel von Spitzenpolitikern auf Top-Stellen in der Wirtschaft sind eigentlich zu begrüßen. Politiker bringen Know-how und Einblicke in gesellschaftspolitische Vorgänge mit, von denen Unternehmen erheblich profitieren können. Der Wechsel des früheren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch zum Baukonzern Bilfinger, den er heute erfolgreich führt, gilt als geglücktes Beispiel.

Doch Kochs neuer Job hatte wenig mit seinem alten zu tun. Bei Pofalla liegt das etwas anders. Als Kanzleramtsminister hat er sich neunmal mit Vertretern der Bahn getroffen, wie aus einer Antwort der Bundesregierung vom September 2013 auf eine Anfrage der Linken-Fraktion hervorgeht. Über Pofallas Schreibtisch ging auch das Eisenbahnregulierungsgesetz, mit dem die damalige schwarz-gelbe Koalition die Chancen der Bahn-Wettbewerber deutlich verbessern wollte.

Kritik am möglichen Wechsel

Das Gesetz scheiterte später am Widerstand der Länder — nach der erfolgreichen Intervention von Bahn-Chef Rüdiger Grube. Die Entscheidung für die Erweiterung der sogenannten Betuwe-Linie der Bahn in Nordrhein-Westfalen wäre allerdings ohne Pofallas Wirken nicht möglich gewesen, hieß es in Kreisen von Bahn-Politikern in Berlin.

Um derlei Interessenkonflikte zu vermeiden, fordern Lobbycontrol, die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International, Linkspartei und Grüne die Einführung einer Karenzzeit für Politiker, die in die Wirtschaft wechseln. Die Organisationen und die Grünen verlangen eine Sperrzeit von drei Jahren, die Linken sogar von fünf Jahren.

"Ein nahtloser Übergang führt zu Interessenkonflikten, egal, ob ein Politiker in die freie Wirtschaft oder in einen Staatskonzern wechselt", sagte Britta Haßelmann, die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen unserer Redaktion. "Ronald Pofalla war jahrelang die rechte Hand von Angela Merkel. Die Kanzlerin ist jetzt aufgefordert, sich zum offenbar bevorstehenden Wechsel Pofallas zur Bahn zu positionieren. Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung jetzt so tut, als habe sie mit dem Wechsel nichts zu tun, nur weil er seit ein paar Wochen dem Kabinett nicht mehr angehört."

"Massiver Erklärungsbedarf"

Pofalla habe "massiven Erklärungsbedarf gegenüber seinen Wählern im Wahlkreis Kleve, die ihn direkt in den Bundestag gewählt haben und die sich jetzt hinters Licht geführt fühlen müssen", sagte die Grünen-Politikerin weiter. Dieses Verhalten "wirft auf uns alle ein schlechtes Licht. Es schadet dem Ansehen von Politikern."

"Wir wollen kein Berufsverbot für Politiker, die ausscheiden. Wir sind nur gegen den schnellen Wechsel in die Lobbyarbeit. Da muss es eine Pause geben", erklärte Grünen-Fraktionsvize Kerstin Andreae.

Auch Union und SPD sehen im Koalitionsvertrag Regelungsbedarf, haben sich aber nicht auf Konkretes festgelegt. Die Oppositionsforderungen stoßen in der Union auf Widerstand. "Wenn es eine Sperrzeit für Politiker gibt, müssen sie für die Übergangszeit eine Kompensation vom Staat bekommen. Es kann nicht sein, dass Politiker schlechter behandelt werden als Manager, die für eine Übergangszeit nicht zum Wettbewerber wechseln dürfen", sagte CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs. "Eine Sperrzeit käme einem Berufsverbot für Politiker gleich. Dafür müsste es für die Betroffenen eine Kompensation geben", sagte auch der CDU-Verkehrspolitiker Thomas Jarzombek.

Auch wenn noch nicht endgültig klar ist, ob Pofalla wirklich zur Bahn geht: Er selbst hatte bereits beim Wechsel von Ex-Kanzler Gerhard Schröder zur russischen Nordstream die Maßstäbe vorgegeben: "Ich könnte mir eine Art Selbstverpflichtung von Regierungsmitgliedern vorstellen, für die Zeit nach Ausscheiden aus dem Amt sich geschäftliche Rücksicht aufzuerlegen. Auch Karenzzeiten halte ich für vorstellbar."

(mar)
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