Dalai Lama: Rückzug aus Politik

Neu-Delhi Nach mehr als 60 Jahren will der Dalai Lama als politischer Führer der Tibeter zurücktreten. Bereits bei der am Montag beginnenden Sitzungsperiode des Exil-Parlaments im indischen Dharamsala will er entsprechende Änderungen vorschlagen, um seine Befugnisse an einen gewählten Führer abzugeben. Der 75-Jährige bleibt aber spirituelles Oberhaupt seines Volks. "Ich werde nicht in den Ruhestand gehen", versicherte er. 1959 war der Dalai Lama aus Tibet nach Indien geflohen, weil China einen Aufstand der Tibeter gegen die chinesische Oberhoheit blutig niederschlug.

Die Rücktritts-Ankündigung hat die Tibeter schockiert – für sie bedeutet sie das Ende einer Ära. Es seien Tausende Bitten eingegangen, dass er seinen Entschluss verschiebe, sagte Samdhong Rinpoche, Chef der von keinem Land der Welt anerkannten Exilregierung, die in Dharamsala residiert. Die gewählte Regierung und die Tibeter fühlten sich noch nicht reif genug, die Führung selbst zu übernehmen, meinte der Premier.

Den Zeitpunkt für seine Ankündigung hatte der Dalai Lama offenbar mit Bedacht gewählt. Sie fiel zusammen mit dem 52. Jahrestag des Aufstands gegen Peking. Offenbar will er die Tibeter zwingen, allmählich auf eigenen Füßen zu stehen. Der 75-Jährige ist gesundheitlich angeschlagen. Er will offenbar verhindern, dass bei seinem Tod ein Machtvakuum entsteht, das Peking zur Installation eines ihm genehmen Nachfolgers nutzen könnte.

Dass diese Sorge nicht unbegründet ist, zeigte Chinas Reaktion. Der Gouverneur von Tibet, Padma Chöling, nannte den Dalai Lama einen "Wolf in Mönchskutte". Ausgerechnet der von den chinesischen Kommunisten ernannte Funktionär erklärte, er glaube nicht, dass man die Reinkarnation einfach abschaffen könne – der jeweils aktuelle Dalai Lama gilt als Wiedergeburt eines gottähnlichen Wesens. Dagegen erklärte der Dalai Lama, es sei allein Sache der Tibeter, zu entscheiden, ob die Institution des Dalai Lama und die Reinkarnation weiterbestehe oder abgeschafft werde. "Bereits in den 60er Jahren habe ich betont, dass die Tibeter einen frei gewählten Führer brauchen, dem ich die Macht übergeben kann."

Tendzin Gyatsho, wie der 14. Dalai Lama mit Mönchsnamen heißt, kämpft seit 52 Jahren für eine gewaltlose Lösung in Tibet, dafür wurde er 1989 mit dem Friedensnobelpreis geehrt. Bis heute genießt er fast unangefochtene Autorität unter den Tibetern, was Machtkämpfe zwischen jungen Kräften, die massiv gegen Peking vorgehen wollen, und Anhängern der gewaltlosen Linie bislang verhindert hat.

(RP)
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