Horst Seehofer "Da platzt mir doch die Hutschnur"

Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident ist gegen Studiengebühren und Frauenquote. Dafür will er eine Pkw-Maut.

Warum stellen Sie plötzlich die Studiengebühren infrage?

Seehofer Bayern ist jetzt in der Lage, das Aufkommen der Studiengebühren aus seinem Haushalt zu finanzieren, ohne die Studenten heranziehen zu müssen. In unserer finanziell glänzenden Situation, wo wir sogar alle Schulden zurückzahlen können, ist es der Bevölkerung kaum zu erklären, dass Bayern von seinen Studenten Gebühren verlangt und das Land Berlin mit unserem Geld aus dem Länderfinanzausgleich die Studenten von den Gebühren befreit.

Ihr Wissenschaftsminister von der FDP bezweifelt, dass der Wegfall der Studiengebühren voll kompensiert wird durch Haushaltsmittel.

Seehofer Dafür kann doch niemand besser sorgen als der, der selbst in der Verantwortung ist, nämlich der Wissenschaftsminister. Mir ist es mit der Abschaffung der Studiengebühren sehr ernst. Und sie werden abgeschafft: von der Volksvertretung oder vom Volk.

Soll jetzt die Krankenschwester via Steuern die Studiengebühr-Freiheit des Chefarzt-Kindes bezahlen?

Seehofer Stimmt ja nicht. Was ist das für ein Vergleich! Für die Krankenschwester ist doch entscheidend, ob ihr eigenes Kind gebührenfrei studieren kann. Man zieht ja auch nicht den Vergleich, dass mit den Steuern von kleinen Leuten auch das Abitur der Kinder gut situierter Familien mitbezahlt wird.

Glauben Sie, dass der ins Gerede gekommene Peer Steinbrück Kanzlerkandidat der SPD bleiben wird?

Seehofer Ich kenne Peer Steinbrück aus der gemeinsamen Zeit in der großen Koalition, und deshalb habe ich schon vor Monaten gesagt: Nicht er, sondern Sigmar Gabriel wäre für die Union der gefährlichere SPD-Kanzlerkandidat.

Wie stehen Sie zu Schwarz-Grün?

Seehofer Ich will, dass wir weiter mit den Liberalen die Regierung bilden – im Bund wie in Bayern.

Die Entscheidung der Grünen für die moderate Spitzenkandidatin Göring-Eckardt ist für Sie kein Signal?

Seehofer. Nein. Es gibt ja jetzt die Trittin-Grünen. Trittin bestimmt bei den Grünen die Schlagzahl: Vergemeinschaftung der Schulden in Europa, Zwangs-Einheitsschule, Drogenfreigabe, Steuererhöhungen von der Einkommen- bis zur Erbschaftsteuer. Ich sage deshalb zu Schwarz-Grün: nichts als Trockenschwimm-Übungen.

Die EU-Kommission hat sich auf Initiative von Justiz-Kommissarin Viviane Reding auf eine Frauenquote von 40 Prozent für Aufsichtsräte geeinigt. Ist das der Durchbruch?

Seehofer Kein bayerischer Ministerpräsident hat so viele Frauen in seiner Partei und in der Staatsregierung in führende Positionen gebracht wie Horst Seehofer.

Die EU zielt auf die Wirtschaft.

Seehofer Auch wenn ich eine Frauenquote in der CSU eingeführt habe, so ist es doch ein Unterschied, so etwas in der eigenen Familie zu machen, oder es Dritten aufzubürden. Europa hat im Moment wirklich andere Aufgaben als sich mit einer Frauenquote für Aufsichtsräte zu beschäftigen. Für dieses Thema sind die Kommission und Europa nicht zuständig. Die Bundesregierung muss dies ablehnen. Im Übrigen ist die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern wichtiger.

Passiert ist in der Wirtschaft bislang wenig. Hat Reding nicht recht?

Seehofer Die Kommission soll sich nicht in Dinge einmischen, die sie nichts angehen. Wir müssen den Euro stabilisieren und die grassierende Arbeitslosigkeit in den Schuldenländern bekämpfen. Da hat die Kommission genug zu tun. Wir befinden uns in Europa in einer Rezession, und die Antwort der Kommission ist die Frauenquote. Da platzt mir doch die Hutschnur.

Auch der deutsche Vertreter, der Christdemokrat Günther Oettinger, hat zugestimmt.

Seehofer Das hilft ja nichts, auch der kann irren.

In der Euro-Krise kann sich das insolvenzgefährdete Griechenland kaum selbst retten. Braucht das Land direkte Hilfen?

Seehofer Ich werde das für die CSU ablehnen. Ich habe immer die Auffassung vertreten: Hilfen nur gegen Auflagen. Das hat uns bei der Krisenbewältigung in den vergangenen drei Jahren geleitet. Es war richtig, und es gilt auch für die Zukunft – auch in Griechenland.

Sehen Sie wirklich eine Trendwende in den Krisenstaaten?

Seehofer Die wirtschaftliche Situation hat sich insgesamt in Europa verschlechtert. Das macht es für diese Länder noch schwieriger, aus der Schuldenkrise zu kommen. Deshalb kann man darüber reden, ob sie mehr Zeit erhalten. Und wir müssen bei allem Nachdruck für Sparen und Reformen darauf achten, dass die Politik mehr auf das Wirtschaftswachstum Rücksicht nimmt.

Sie waren schon strenger mit den Schuldnerstaaten. Sind Sie wieder europafreundlicher geworden?

Seehofer In allen meinen Reden betone ich das Bekenntnis zu Europa. Die CSU war immer die Partei Europas. Und daran hat sich nichts geändert. Ich selbst halte die europäische Einigung für die genialste Friedens-Idee nach dem Kriege.

Wie stark ist die CSU eigentlich noch? In der Koalition hat sie nach jahrelangen Diskussionen das Betreuungsgeld durchgesetzt, über das die Zeit schon hinweggegangen war.

Seehofer Da irren Sie. Das Betreuungsgeld ist aktueller denn je. Die CSU macht langfristige Politik. Gegen alle Widerstände haben wir einen wichtigen Punkt bei der Kinderbetreuung gesetzt. Die Eltern sollen frei entscheiden können, ob sie eine öffentliche oder private Kinderbetreuung in Anspruch nehmen oder die Kinder zu Hause aufziehen.

Mit einem anderen Politik-Ziel, der Pkw-Maut für ausländische Kraftfahrer, sind Sie gescheitert?

Seehofer Nein. Die Verkehrsinvestitionen, die notwendig sind, auf der Schiene, auf der Straße und auf dem Wasser, sind ohne eine Pkw-Maut für Autobahnen nicht zu finanzieren. Deshalb wird die Maut für Straßenbenutzer aus dem Ausland früher oder später kommen, spätestens in der nächsten Legislaturperiode, wenn wir wieder ein Mandat des Wählers bekommen. Davon gehe ich fest aus.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort