Jahresauftaktklausur in Seeon CSU verschärft den Ton in der Asylpolitik

Kloster Seeon · Im Schnee von Seeon stellt sich die CSU auf die Zeit mit Markus Söder ein. Die Partei setzt voll auf die Asylfrage - aber auch beim Thema Europa gibt es neue Töne.

 Ins schneebedeckte Kloster Seeon zieht sich die CSU-Landesgruppe zur Jahresauftaktklausur zurück.

Ins schneebedeckte Kloster Seeon zieht sich die CSU-Landesgruppe zur Jahresauftaktklausur zurück.

Foto: dpa/Peter Kneffel

Raus aus dem nervösen Hauptstadtbetrieb, rein in den frischen Schnee, ab ins Kloster und Türen zu: Drei Tage Klausur. Drei Tage Nachdenken. Drei Tage politische Kraft tanken. Alexander Dobrindt genießt den Ort. Hinter wirklich sehr dicken Mauern versammelt der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag ab diesem Donnerstag die 45 Abgeordneten wieder zum Jahresauftakt. Und die Böller für neue Schlagzeilen liegen bereit zur Zündung.

Bereits zum dritten Mal zieht sich die Landesgruppe ins oberbayerische Kloster Seeon zurück - seit ihrem erzwungenen Wegzug aus dem traditionsreichen Wildbad Kreuth. Dort hatte die Eigentümerin, Helene Herzogin in Bayern, mit hohen Pachtvorstellungen die Christsozialen aus dem Tal der Tegernseer vertrieben. Seither ruht in Wildbad Kreuth jeglicher Betrieb, ist Kloster Seeon am nahen Chiemsee die neue Denkfabrik der CSU zum Jahresbeginn geworden.

Das Denken wird sich auch um einen Neuanfang im Beziehungsgeflecht der Schwesterparteien drehen, nachdem im abgelaufenen Jahr die Fraktionsgemeinschaft ganz knapp vor der Spaltung stand. Die beiden Hauptkontrahenten sind und werden abgelöst: Bei der CDU hat Angela Merkel den Vorsitz im Dezember abgegeben, bei der CSU wird der Stabwechsel von Horst Seehofer an Markus Söder am 19. Januar erfolgen. Die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich für Samstag bei der CSU im Voralpenland angesagt. Anders als noch 2016, als Merkel bei Wind und Wetter mit dem Hubschrauber zur Flüchtlings-Krisenklausur einschwebte, stehen dieses Mal die Zeichen auf Frieden und Versöhnung. Union eben. Für eine bessere gemeinsame Zukunft will Kramp-Karrenbauer dem Vernehmen nach gleich zwei Tage im Kloster Seeon bleiben, wo die CSU über Zukunftsthemen wie eine flächendeckende Mobilfunkversorgung in Deutschland, Künstliche Intelligenz und ein Programm für Gründer und Investoren („Talents for Germany“) beraten will.

Einen Neujahrsgruß alter Schule hat sie auch schon abgesetzt und verlangt wieder mal eine Verschärfung des Asylrechts. Der Staat soll straffällige Flüchtlinge „während, spätestens jedoch unmittelbar nach ihrer Haftzeit konsequent abschieben, nach dem klaren Grundsatz: Vom Gefängnistor direkt zum Abfluggate“, heißt es in einem Papier für die Klausur. Die Regie schließt nicht aus, dass die Formulierungen nach den Gewalttaten der letzten Tage nachgeschärft werden. Jedenfalls sollen die im Schengener Abkommen auf Ausnahmen beschränkten Grenzkontrollen „flexibler, länger und einfacher“ angewendet werden können.

Neue Töne erklingen in Sachen Europa. Hier hat die CSU ihre traditionelle Skepsis und Kritik abgelegt und definiert nicht mehr in erster Linie, was sie in Europa ablehnt, sondern welches Europa sie unbedingt will. Der Brexit soll in eine „Doppel-Plus-Partnerschaft“ mit Großbritannien münden, und zwar mit Rückkehrchance. Jedenfalls spricht sich die CSU in einem unserer Redaktion vorliegenden Papier für einen „Zug-um-Zug-Wiederannäherungsprozess“ der Briten an die EU aus.

Obwohl die Raumfahrerpose von Söder im Landtagswahlkampf ziemlich veralbert wurde, hält die Landesgruppe dies nicht davon ab, mit Europa „nach den Sternen greifen“ zu wollen. Nachhaltig will sie eine europäische Raumfahrt als Katalysator nutzen, um Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung auch in Deutschland voran zu bringen. Viele Gedanken macht sich die CSU um die Bundeswehr. Ihre Soldaten sollen in Uniform künftig alle Nah- und Fernverkehrszüge gratis nutzen dürfen. Vor allem verpflichtet sich die CSU auf das Zwei-Prozent-Ziel der Nato und verlangt: „Bis zum Ende der Wahlperiode 2015 müssen für die Verteidigung 60 Milliarden Euro bereitstehen“ - das sind 40 Prozent mehr als im aktuellen Etat.

Noch vor einem Jahr stand die CSU-Winterklausur unter dem Vorzeichen einer völlig unsicheren Regierungsbildung im Bund. Jamaika war gerade geplatzt, der potenzielle Koalitionspartner SPD musste erst noch ein Mitgliedervotum und einen Sonderparteitag zum Wiedereinstieg in die große Koalition überstehen. Nun ist auch personell vieles neu: Der scheidende Parteichef Seehofer will ein letztes Mal zu seinen „Berlinern“ sprechen. Er hat sein Kommen für Tag eins der Klausur angesagt, ebenso sein designierter Nachfolger Söder.

Vor einem Jahr noch beschwor Dobrindt eine konservative Revolution. 50 Jahre nach 1968 sei es Zeit für eine neue Bürgerlichkeit, einen bürgerlichen Aufbruch im Lande - auf diese Weise startete der CSU-Landesgruppenchef ebenso fulminant wie kritisiert ins neue Jahr. Zwölf Monate später freundet sich Dobrindt damit an, dass die CDU weiter von einer Frau geführt wird. Der CSU-Landesgruppenchef sagt: „Ich habe ein exzellentes Verhältnis zu Annegret Kramp-Karrenbauer.“ AKK betone die drei großen Wurzeln der Unionsparteien: christlich-sozial, liberal und bürgerlich-konservativ. Er glaube, die neue CDU-Vorsitzende wisse, dass derzeit die konservative Wurzel gut gegossen werden müsse. So will es die CSU nach dem Verlust ihrer absoluten Mehrheit bei der Landtagswahl im Oktober auch jetzt wieder bei ihrer Klausur halten und von Kloster Seeon einige Böller nach Berlin schicken.

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