Essen Cromme gibt alle Ämter bei ThyssenKrupp ab

Essen · Der Manager tritt nach Milliardenverlusten und vielen Skandalen als Chef des Aufsichtsrats ab und verlässt auch die Krupp-Stiftung.

 Gerhard Cromme (70), noch Aufsichtsratschef von ThyssenKrupp.

Gerhard Cromme (70), noch Aufsichtsratschef von ThyssenKrupp.

Foto: dpa

Drei Monate nach dem Rauswurf mehrerer Vorstandsmitglieder fordern die Skandale und Milliardenverluste bei ThyssenKrupp ein prominentes Opfer im Aufsichtsrat. Chefkontrolleur Gerhard Cromme (70), der in den vergangenen Monaten von einigen Aktionären heftig kritisiert worden war, erklärte gestern seinen Rücktritt zum Monatsende und kündigte gleichzeitig seinen Rückzug aus dem Kuratorium der Krupp-Stiftung an. Die Stiftung hält 25 Prozent der Anteile an ThyssenKrupp und verfügt über ein Entsenderecht in den Aufsichtsrat, das eine Übernahme des Konzerns verhindern kann. In der Stiftung war Cromme bislang Stellvertreter des Vorsitzenden Berthold Beitz, den er irgendwann auch beerben sollte.

"In Verantwortung für das Unternehmen, seine Mitarbeiter und Aktionäre möchte ich nach zwölf Jahren als Vorsitzender mit diesem Schritt auch im Aufsichtsrat einen personellen Neuanfang ermöglichen", erklärte Cromme. Er wünsche dem Unternehmen, dass es aus der Krise gestärkt hervorgehe.

Als Nachfolger an der Aufsichtsratsspitze werden der frühere Industrieverbands-Präsident und Hochtief-Chef Hans-Peter Keitel sowie der ehemalige Henkel-Chef Ulrich Lehner gehandelt. Beide sind bereits Mitglied des Kontrollgremiums bei ThyssenKrupp. Lehner wird ein besonderes Vertrauensverhältnis zu Beitz nachgesagt. Als dessen möglicher neuer Kronprinz in der Stiftung wird Ralf Nentwig (52) genannt, der ebenfalls als Vertrauter von Beitz gilt.

Der 99-jährige Chef der Stiftung hob die "langjährige enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit" mit seinem Zögling Cromme hervor und zollte der Entscheidung seines Stellvertreters "großen Respekt". Allerdings soll Beitz Cromme schon vor Monaten zum Rückzug gedrängt und ihn aufgefordert haben, nach der Hauptversammlung im Januar zurückzutreten.

Beim Aktionärstreffen war scharfe Kritik am einstigen Konzernchef geübt worden. Mehrere Sprecher gaben Cromme eine Mitschuld an den Milliardenbelastungen durch die überteuerten Stahlwerke in Brasilien und den USA. Zugleich musste er sich für die Ermittlungen wegen Verdachts auf Preisabsprachen im Schienen- und im Stahlgeschäft sowie wegen Luxusreisen anderer auf Firmenkosten verantworten. Vor allem die Kosten für die Werke in Übersee, für die einst vier Milliarden Euro eingeplant waren, schossen auf über zwölf Milliarden Euro in die Höhe. Die Mehrheit der Anteilseigner hatte Cromme trotzdem als Aufsichtsratschef bestätigt. Zuvor erhielt er die Entlastung von 69 Prozent der Aktionäre, was als schwaches Votum gilt. Üblich sind Werte von knapp unter 100 Prozent.

Die ThyssenKrupp-Aktie reagierte mit einem Kurssprung auf die Ankündigung Crommes. Der Kurs legte um mehr als sechs Prozent zu und war bester Wert im Aktienindex Dax. Aktionärsvertreter begrüßten den Rücktritt ausdrücklich. Knut Giesler, IG-Metall-Bezirksleiter in Nordrhein-Westfalen, sagte: "Der Neuanfang bei ThyssenKrupp darf mit dieser zu respektierenden, persönlichen Entscheidung von Herrn Cromme nicht beendet werden. Es geht um die besten Lösungen für Arbeit und Einkommen der Menschen wie den Industriestandort. In diesem Sinne wird die IG Metall den Kurs von Heinrich Hiesinger zur inhaltlichen, personellen und kulturellen Neuaufstellung des Unternehmens weiterhin begleiten."

Das Unternehmen hatte im Dezember des vergangenen Jahres einen Verlust von fünf Milliarden Euro für das vergangene Geschäftsjahr gemeldet und verfügt nur noch über eine Eigenkapitalquote von neun Prozent, die im Falle von Kartellstrafen und neuen Abschreibungen weiter schrumpfen könnte. ThyssenKrupp will 2000 Stellen streichen.

(RP)
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