London Corbyn gerettet, Labour in Nöten

London · Die britischen Sozialdemokraten treffen sich zum Parteitag. Ein Neustart dürfte es kaum werden.

Die britische Labour-Partei ist nicht zu beneiden. Seit Monaten wird sie von einem Führungsstreit gebeutelt. Der Vorsitzende Jeremy Corbyn steht unter massivem Beschuss, die Abgeordneten im Unterhaus starteten eine Palastrevolte - doch der Alt-Linke Corbyn will das Feld nicht räumen.

Eine Urwahl der Parteibasis sollte Erlösung bringen. Doch schon vor der offiziellen Bekanntgabe der Entscheidung heute steht fest: Entspannung wird es kaum geben. Selbst Corbyn-Kritiker gehen davon aus, dass der 67-Jährige mit breiter Mehrheit im Amt bestätigt wird - doch das ist kaum der Neustart, den sich viele wünschen. Selbst Optimisten gehen davon aus, dass es zum Frieden in Partei und Fraktion noch ein weiter Weg ist. Und der morgen beginnende Parteitag in Liverpool dürfte schwierig werden.

Die massive Kritik an Corbyn hatte unmittelbar nach dem Brexit-Votum begonnen. Er habe sich nicht stark genug für den Verbleib in der EU eingesetzt, hieß es. Mit breiter Mehrheit sprachen ihm die Abgeordneten im Unterhaus das Misstrauen aus, Mitglieder des Schattenkabinetts liefen in Scharen davon. Die Chefs anderer Linksparteien in Europa wären bei einer Abfuhr dieser Art wohl sofort zurückgetreten. Doch Corbyn ist eben anders.

Der Mann mit dem weißen Bart und den weißen Haaren gilt als Mann der Prinzipien. Vor allem auch als Mann der Linken. Er tritt für Verstaatlichungen ein und für den Ausbau des Sozialstaates, ist gegen Atomwaffen und gegen Luftangriffe auf IS-Terroristen in Syrien.

Ist das mehrheitsfähig? Vor allem die Abgeordneten verneinen das: Viel zu links, viel zu ideologisch sei er. Sie fürchten, dass die neue Premierministerin Theresa May trotz gegenteiliger Beteuerungen in den nächsten Monaten Neuwahlen ausrufen könnte - und Labour dann spektakulär untergeht. "Wir können es uns schlichtweg nicht leisten, so weiterzumachen", meinte Sadiq Khan, der populäre neue Londoner Bürgermeister, kürzlich. Das war deutlich.

Dagegen verweist Corbyn darauf, dass er 2015 von der Basis zum neuen Parteichef gewählt wurde. Jetzt wegen ein paar Dutzend Abgeordneter zurückzutreten, wäre in seinen Augen Betrug. Bei der Urwahl gab es nur einen Herausforderer: Ex-Schattenminister Owen Smith. Der Mann ist 46, Labour-Mitglied, seit er 16 ist, und ein eher unbeschriebenes Blatt. Er war der Einzige, der überhaupt anzutreten wagte.

Vor dem Parteitag in der Labour-Hochburg Liverpool gibt sich Corbyn versöhnlich: "Schwamm drüber", meint er und mahnt einen Neustart an. Doch schon zeichnet sich neuer Streit mit den Abgeordneten ab. Es geht um die Bildung eines neuen Schattenkabinetts und um die künftige Linie im Unterhaus.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort