Chirac fordert UN-Krisengipfel Chirac bietet den USA die Stirn

Paris (rpo). Frankreichs Präsident Jacques Chirac ist fest entschlossen: Er will sich gegen den UN-Resolutionsentwurf zur Legitimierung eines Irak-Kriegs der USA stemmen.

Mit dem Vorschlag eines Krisengipfels im Weltsicherheitsrat will der 70- jährige Doyen der westlichen Staatschefs seine Vorreiterrolle für eine friedliche Lösung im Irak unterstreichen. Er selbst ist sogar bereit, persönlich in den Ring zu steigen, wenn die USA am Dienstag oder Mittwoch eine Abstimmung durchsetzen wollen. Ihr geplantes Ultimatum soll Bagdad auferlegen, bis zum 17. März alle Abrüstungsauflagen zu erfüllen. "Wenn es um Tod oder Leben geht, dann ist es angemessen, dass auf höchster Ebene darüber entschieden wird", erklärte der Elysée-Palast.

Wie ein Schlag ins Gesicht wirkte die Antwort von US-Außenminister Colin Powells. Der Vorschlag sei völlig unnötig, da alle Seiten ihre Ansicht offen vorgetragen hätten, beschied Powell brüsk seinem Amtskollegen Dominique de Villepin, der am Freitag den Vorschlag Chiracs im Weltsicherheitsrat vorgetragen hatte.

Noch am Sonntag flog Villepin nach Afrika, um die im Sicherheitsrat vertretenen Staaten Angola, Kamerun und Guinea auf die französische Position einzuschwören. Sie könnten bei der entscheidenden Abstimmung das Zünglein an der Waage sein. Frankreich, als frühere Kolonialmacht mit engen Beziehungen zum schwarzen Kontinent, hat nach Auffassung von Beobachtern gute Karten. Allerdings werden die Afrikaner auch von den USA heftig umworben.

Zwischen Paris und Washington ist die Stimmung auf einem Nullpunkt angelangt. Indem Chirac die Kriegsgegner um sich scharrt, ist er zum wichtigsten Gegenspieler der amerikanischen Irak-Politik geworden. Erst vergangene Woche hatten Frankreich, Deutschland und Moskau ihre gemeinsame Anti-Kriegs-Haltung in Paris bekräftigt, wobei sie auch China auf ihrer Seite wissen. Bei einem Gipfel in New York würde Chirac nicht allein stehen, auch Bundeskanzler Gerhard Schröder ist bereit, nach New York zu reisen.

Chiracs Überlegungen gehen nach Darstellung von politischen Beobachtern in Paris weit über die Entscheidung Krieg oder Frieden im Irak hinaus. Er wolle auf alle Fälle einen Alleingang der USA ohne Zustimmung des Sicherheitsrats verhindern, weil er darin eine Schwächung der UN und einen Präzedenzfall für die anstehenden geopolitischen Probleme sehe, von Nordkorea bis zum palästinenstisch- israelischen Konflikt. Die Einseitigkeit und das angeprangerte Hegemonialstreben der USA nach dem Zusammenbruch der Ost-West-Blöcke ist Frankreich ein Dorn im Auge.

Nachdem Chirac außenpolitisch in seiner ersten Amtszeit ein ums andere Mal ins Fettnäpfchen getreten ist, sieht er sich nun auf dem Gipfel seines Ruhms und sonnt sich in seiner Sprecherrolle der Friedensanhänger. Im Irak-Konflikt sieht er die Chance, das von den Franzosen geliebte Bild ihres Landes als einer "Grande Nation" wieder Glanz zu verleihen und die Position Europas zu stärken. Washington kräftig auf die Füße zu treten, darin hat Paris seit dem früheren Präsidenten Charles de Gaulle reichlich Erfahrung. Es steht in der langjährigen Tradition der Atommacht Frankreich, gegen die Supermacht jenseits des Atlantiks aufzubegehren.

Solange die Waffenkontrollen im Irak nach Auffassung des Elysées Fortschritte erzielen, zeigt sich Paris sogar entschlossen, sein Veto-Recht als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat zu nutzen. Doch die Diplomaten an der Seine hoffen, eine Konfrontation mit den "amerikanischen Freunden" letztendlich zu vermeiden, denn Chirac sei sich der Gefahr eines Veto-Einsatzes und der damit verbundenen Isolierung voll bewusst. "Frankreich muss sich aktiv an der Vorbereitung der Gestaltung für einen Nachkriegsfrieden beteiligen, wenn es seinen hart umkämpften Platz im internationalen Kreis behalten will", meinte ein politischer Kommentator in Paris.

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