Washington Chance für Mini-Reform des US-Waffenrechts

Washington · Nach dem Massaker von Las Vegas könnte ein Bauteil verboten werden, das aus normalen Gewehren Schnellfeuerwaffen macht.

Er gehe gern auf die Jagd, sagt John Cornyn, doch wozu man einen "Bump Stock" brauche, verstehe er nicht. Die Rede ist von einem speziellen Gewehrkolben, dessen Mechanismus es Schützen ermöglicht, aus einer halbautomatischen Schusswaffe schnelle Feuerstöße wie aus einem Sturmgewehr abzugeben. Mit einem "Bump Stock" lässt es sich faktisch umgehen, das Verbot für den Erwerb vollautomatischer Waffen, wie es der US-Kongress Mitte der 80er Jahre verfügte.

Im Jahr 2010, als die Bundesbehörde für Alkohol, Tabak, Feuerwaffen und Sprengstoff für den Verkauf der Spezialkolben grünes Licht gab, schenkte das Land diesem Verwaltungsakt nur wenig Aufmerksamkeit. Das ändert sich gerade. Nach dem Massaker von Las Vegas rückt die demokratische Senatorin Dianne Feinstein den "Bump Stock" in den Fokus, um wenigstens eine Mini-Reform durchzusetzen, eine zumindest symbolische Verschärfung der Waffengesetze.

Obwohl ein solcher Kolben im Laden keine 200 Dollar koste, sei seine Wirkung verheerend, legt Feinstein den Finger in die Wunde. Statt der 45 bis 60 Schuss, die ein Schütze pro Minute aus einem halbautomatischen Gewehr abgeben könne, wären nach dem Einbau des Teils 400 bis 800 möglich. Es gebe nur einen Grund, eine Flinte derart zu verändern, nämlich "in kürzester Zeit so viele Menschen wie möglich zu töten". Nach Erkenntnissen der amerikanischen Bundespolizei FBI hatte Stephen Paddock zwölf der 23 Waffen, die er auf seine Hotelsuite in Las Vegas brachte, bevor er Konzertbesucher ins Visier nahm, mit "Bump Stocks" ausgerüstet. Fast 60 Menschen erschoss er mit den frisierten Gewehren, Hunderte wurde im Kugelhagel teils schwer verletzt.

Die Spezialkolben vom Markt zu nehmen, ist womöglich der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich Demokraten und Republikaner einigen können. Der Ersatz für weitreichende Korrekturen. Große Würfe sind derzeit nicht drin, das weiß auch Dianne Feinstein, die Grande Dame des Senats, eine 84-jährige Demokratin aus San Francisco, die sich seit Langem vergeblich bemüht, den Trend zu immer laxeren Waffenparagrafen umzukehren. Als Adam Lanza, ein geistig verwirrter Einzelgänger, 2012 an der Sandy-Hook-Grundschule in der Kleinstadt Newtown, rund 100 Kilometer nordöstlich von New York, 20 Erstklässler erschoss, versuchte sie wiederzubeleben, was einst Präsident Bill Clinton durchgeboxt hatte: ein Verbot von Sturmgewehren. 1994 wurde der Bann verhängt, aber 2004, als er nach zehn Jahren auslief, nicht mehr verlängert.

Feinstein scheiterte nicht nur an den Republikanern, sondern auch an Parteifreunden aus ländlich geprägten Bundesstaaten. "Bump Stocks" auf den Index zu setzen, war ein Passus des Gesetzentwurfs, den Feinstein damals präsentierte. Indem sie sich nunmehr allein auf diese Maßnahme beschränkt, versucht sie auch Konservative ins Boot zu holen, die in der Forderung nach strengeren Regeln schnell einen Generalangriff auf das Recht auf privaten Waffenbesitz wittern. Und wenn nicht alles täuscht, stehen ihre Chancen diesmal gar nicht schlecht.

Immerhin lehnt die republikanische Parlamentsmehrheit den Vorschlag nicht von vornherein ab. Gewiss, es gibt Hardliner, die davon nichts wissen wollen, etwa den Senator John Kennedy aus Louisiana, der wie auf Knopfdruck eine alte Melodie der Waffenbesitzer-Lobby National Rifle Association (NRA) mit ihren landesweit fünf Millionen Mitgliedern anstimmt. "Ich glaube nicht, dass wir achtzig, neunzig Millionen Waffenbesitzer für das Handeln eines Idioten bestrafen dürfen", sagt Kennedy. Den "Bump Stock" aus dem Verkehr zu ziehen, für manche Anhänger der reinen Lehre rüttelt schon das an dem Verfassungsgrundsatz, wonach der Waffenbesitz freier Bürger durch nichts eingeschränkt werden darf.

Auch Steven Scalise, ein konservativer Abgeordneter, der fast verblutet wäre, als ihn die Kugel eines psychisch kranken Rentners im Juni beim Baseballtraining an der Hüfte traf, warnt vor einer Art Rutschbahneffekt. Leute am linken Rand, sagte er der "Washington Post", lauerten doch nur auf ein Blutbad wie in Las Vegas, in der Hoffnung, dass es mit einem Schlag verändere, was über Jahrzehnte an politischen Ansichten gewachsen sei. Donald Trump wiederum hat die Frage nach Waffenkontrollen bei einem Besuch der Casinostadt mit einer Phrase abgetan: Jetzt sei nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu reden, beschied der Präsident.

Ausgerechnet die NRA aber zeigt sich für Reformen offen. Zwar betonte sie auch dieses Mal, ein Verbot werde Attacken nicht verhindern. Aber: Es brauche zusätzliche Regeln, und die zuständige Bundesbehörde solle "unverzüglich überprüfen, ob diese Geräte mit Bundesrecht vereinbar sind". "Diese Geräte" - das sind die "Bump Stocks".

John Cornyn will ein Zusammengehen mit Feinstein nicht ausschließen. Nach Sandy Hook hatte er ihr noch entgegnet, Verbote hätten keinerlei Sinn, vielmehr gelte es zu verhindern, dass verwirrte Menschen an gefährliche Schießeisen kämen. Diesmal gesteht er ihr zu, eine legitime Sorge geäußert zu haben. Das mit den "Bump Stocks", erklärte Cornyn, verdiene es, näher unter die Lupe genommen zu werden.

(RP)
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