CDU-Kungelei um Bundesarchiv?

Koblenz Er ist weder Historiker, noch hat er eine entsprechende Ausbildung – aber er ist ein verdienter christdemokratischer Parteigänger: Günter Winands, bis zum Sommer Staatssekretär im NRW-Schulministerium. Winands wird jetzt als neuer Chef des Bundesarchivs in Koblenz gehandelt. Dessen Präsident Hartmut Weber geht voraussichtlich im März in den Ruhestand. Freunde des Bundesarchivs befürchten jetzt, dass das Präsidentenamt als Versorgungsposten missbraucht werden könnte – und das ohne jede Ausschreibung.

In Berlin beeilt man sich, Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Vom Beauftragten für Kultur und Medien kam eine dürre Pressemitteilung: Es sei "vorgesehen, die Position auszuschreiben". Facharchivare fragen sich nun, wann diese Ausschreibung kommt und wie sie aussieht: Wird eher juristischer Sachverstand verlangt? Oder sucht man wie früher einen Fachbeamten für die hoch dotierte Stelle? Eine Anfrage beim zuständigen Staatsminister Bernd Neumann (CDU) erbringt wenig Erhellendes: "Die Ausschreibung wird demnächst erfolgen."

Dabei gruppiert sich um die Spitzenpersonalie eine Reihe von Merkwürdigkeiten. Normalerweise erfolgt eine solche Ausschreibung sechs bis sieben Monate vor dem Amtswechsel. Doch inzwischen sind nur noch knapp vier Monate Zeit – viel zu wenig für ein seriöses Auswahlverfahren. Präsident Hartmut Weber (65) sollte zudem eigentlich bis 68 arbeiten, schreibt die "FAZ". Unvermutet verkürzte Kulturstaatsminister Neumann die verbleibende Amtszeit mit der Zusicherung, dieser Schritt habe nichts mit Webers Leistungsbilanz zu tun. Beobachter der Szene vermuten, dass der alte Präsident schlicht und ergreifend für den bereits feststehenden Nachfolger weichen sollte. Ein politischer Präsident könnte leichter für politische Zwecke instrumentalisierbar sein als ein fachlich versierter. Das ist nicht ohne Brisanz – im Bundesarchiv wird die Zeitgeschichte aufgearbeitet. Da steht etwa die Ära Helmut Kohl an. Die Arbeit der Archivare kann dabei durchaus Biografien umschreiben.

Die Hüter der Archive wollen ihr Flaggschiff daher lieber in den Händen eines Fachmanns wissen. Und ein solcher ist Günter Winands beileibe nicht. Wichtiger für seinen Kandidatenstatus könnte sein: Der Christdemokrat soll unter Kohl eng mit Neumann zusammengearbeitet haben. Beide kennen sich gut.

Befürchtet wird, dass ein Fachfremder bei internationalen Tagungen eher als Fehlbesetzung empfunden würde. Zudem könnte auch seine Stellung innerhalb des Archivs mit seinen vielen Standorten und Abteilungen leiden. Ein Kenner: "Jemand, der sich nicht richtig auskennt, wird schnell zum Spielball unterschiedlicher Interessen."

(Rheinische Post)
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