Kramp-Karrenbauer in Düsseldorf Eine Partei horcht in sich hinein
Düsseldorf · Annegret Kramp-Karrenbauer reist quer durch die Republik und trifft einfache CDU-Mitglieder. Dabei geht es keineswegs nur um Flüchtlinge. In Düsseldorf fordert jemand eher antizyklisch die Vereinigten Staaten von Europa.
Das muss man sich mal vorstellen. Da ziehen sie auf der Welt die Zäune hoch, sprechen von Melderegistern und Zurückweisungen an Grenzen. Da üben die Österreicher, wie sie Flüchtlinge mit militärischen Mitteln fernhalten können. Da stellt ein bayerischer Ministerpräsident den Multilateralismus infrage. Und mitten in diesem antieuropäischen Wahnsinn steht dieser Mann aus Haan, CDU-Mitglied seit 1953, auf und sagt diesen Satz: „Die CDU sollte die Vereinigten Staaten von Europa fordern.“ Irre.
Derzeit reist Annegret Kramp-Karrenbauer quer durch die Republik und horcht in ihre Partei hinein. Die Generalsekretärin befindet sich auf „Zuhör-Tour“, so nennt sie das, und will an 43 Orten mit einfachen Mitgliedern erörtern, was die CDU eigentlich will. Die Mitglieder sagen, was ihnen wichtig ist, worauf „die in Berlin“ mal achten sollen. Und ganz am Ende soll so ein neues CDU-Grundsatzprogramm entstehen.
Wer nun aber glaubt, dass die Christdemokraten dieser Tage bloß über Flüchtlinge und die CSU reden wollen, sieht sich an diesem Donnerstag in Düsseldorf, Station 28, eines Besseren belehrt. In dem Saal der Handwerkskammer geht es um Barrierefreiheit, den Polizeiberuf, soziale Marktwirtschaft, und eben, klar, auch um die Vereinigten Staaten von Europa. Noch mehr verblüfft, dass der Mann aus Haan mit seiner Forderung gar nicht so sehr irrlichtert, sondern die Stimmung im Saal trifft. Für Europa.
Man könnte das ja leicht vergessen im Moment, dass den Leuten nicht nur die Kontrolle von Grenzen am Herzen liegt. Eine junge Frau („Ich bin Migrantin“) meldet sich, und besitzt die Chuzpe, der Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer die Frage zu stellen, was die CDU eigentlich für Muslime und Migranten tut. „Jahrelang konnte ich meine Freunde und Nachbarn überzeugen, die CDU zu wählen. Jetzt nicht mehr“, sagt sie.
Was die Generalsekretärin, die ihre Mitglieder eine gute Stunde zu spät erreicht, so sagt, überrascht da weniger. Die Volkspartei der Mitte, wird Kramp-Karrenbauer, der von der Partei umjubelte Star, der jungen Frau später antworten, dürfe niemanden außen vor lassen. Aber es gehört wohl zum Konzept, dass sie nicht nur fertige Antworten mitbringt, sondern offene Fragen mitnimmt.
Gleichwohl hört die Generalsekretärin ein paar Hinweise und Fragen, auf die sie sofort reagiert. Und da geht es, logisch, dann doch um Grenzen, Flüchtlinge und die CSU. Warum man nicht einfach die Fraktionsgemeinschaft mit den Bayern, die zu den Katalanen Deutschlands würden, auflöse, fragt ein älterer Herr. Die würden doch nur nerven. Und wer die Zeit hat, an einem Donnerstagvormittag drei Stunden auf die Antwort zu warten, der erfährt von Kramp-Karrenbauer: „Es lohnt sich zu kämpfen, dass wir beieinander bleiben. Mit wem wollen wir denn sonst soziale Marktwirtschaft durchsetzen?“
Es ist schon ein ulkiges Konzept, das sich die CDU da zumutet. Man könnte ja auf die Idee kommen, dass sich die Generalsekretärin dieser Tage wichtigeren Aufgaben widmen könnte, als über die Wiedereinführung der Wehrpflicht zu diskutieren. Aber nein, mit erschreckender Ausdauer zieht Kramp-Karrenbauer es durch. Die Fragen, die ihre Mitglieder an Stellwände geheftet haben, auch recht retro, nimmt sie alle mit nach Berlin. Sie wird dann auch diesen Beitrag eines CDU-Mitglieds lesen können: „Ich habe mich zum Thema Grundsatzprogramm grundsätzlich vorbereitet.“ Zu Wort meldet sich der Autor dieses Zettels leider nicht. Es wäre sicher überraschend geworden.