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Berlin Bürgerliche Wähler fliehen vor der CDU

Berlin · Wie die Christdemokraten mit dem Debakel in Hamburg umzugehen versuchen - und Merkels Möglichkeiten weiter schrumpfen.

Wie verzweifeltes Pfeifen im Wald klang der Versuch im CDU-Bundesvorstand, nach dem Hamburger Wahldebakel den hanseatischen Parteifreunden mit den Erfahrungen der Niedersachsen-CDU Trost zu spenden. Auch Christian Wulff habe dort in zwei Wahlkämpfen gegen den SPD-Ministerpräsidenten Gerhard Schröder nichts ausrichten können - und sei dann doch ein erfolgreicher Landesvater geworden. Dietrich Wersich, der als CDU-Spitzenkandidat in Hamburg mit 15,9 Prozent das schlechteste Wahlergebnis seit über fünf Jahrzehnten eingefahren hat, konnte sich dafür nichts kaufen.

Und auch dem Rest des CDU-Führungspersonals half die Aussicht nicht wirklich weiter, dass es in Hamburg in zehn Jahren vielleicht besser aussehen könnte. Denn die Hamburger Wahl und der dort regelrecht zerschmetterte Gestaltungsanspruch der großstädtischen Christdemokraten setzten einen Trend fort, der mehr und mehr auch die Machtoptionen der Bundes-CDU stranguliert: Die zehn größten deutschen Städte werden bereits ohne die Union regiert, und von Wahl zu Wahl wird die Liste länger.

Wie kommt es, dass die großstädtischen bürgerlichen Wähler von der klassischen bürgerlichen Partei nicht mehr erreicht werden, dass sie die neuen bürgerlichen Grünen, die erneuerte bürgerliche FDP, die neue euro- und einwanderungskritische bürgerliche Alternative AfD und vor allem die mit wirtschaftlicher Kompetenz punktende SPD stark machen und vor der CDU regelrecht Reißaus nehmen? Und das in Hamburg, wo CDU-Spitzenpolitiker Ole von Beust noch vor sieben Jahren sogar mit absoluter Mehrheit regieren konnte? Nach zurückliegenden Wahlschlappen gründete die CDU Arbeitskreise, schrieb Papiere, um wieder Anschluss ans Großstadtflair zu finden. Der Reflex blieb aus.

Denn nach Überzeugung der Wahlkampfbegleiter waren Themen und Personal gerade in Hamburg aus den Ergebnissen jener Großstadtpapiere gespeist worden. Ideal für eine Großstadt nannte Parteichefin Angela Merkel das Angebot mit Wersich. Wenn es denn je einen absolut vorzeigbaren CDU-Kandidaten gab, der hanseatisch, liberal, sozial und multikulti-orientiert ein konsequent auf die Hamburger zugeschnittenes Programm repräsentierte, dann Wersich.

Sein einziges Problem schien aus sechs Buchstaben zu bestehen: Scholz. Der allein regierende SPD-Mann habe einfach keine Fehler gemacht, sei mit seiner konservativen Politik tief in der Bürgerschaft verankert gewesen und habe das Bedürfnis nach einem Wechsel auf null sinken lassen. Selbst unter CDU-Stammwählern hatte er hohe Sympathiewerte. Und die reagierten auf nahezu völlig fehlenden Streit über Sachthemen in Scharen mit Wahlenthaltung. Wersich klagte im Vorstand über eine verheerend wirkende Demobilisierung der eigenen Anhänger.

Es ist das von Merkel schon zweimal mit Erfolg auf Bundesebene exekutierte Modell der asymmetrischen Demobilisierung, das sich nun mit Wucht gegen ihre eigene Partei in ihrer Geburtsstadt Hamburg richtete. Das Prinzip: Sorge in einer Situation, in der die Menschen mit deiner Regierung zufrieden sind, dafür, dass es keinen richtigen Wahlkampf gibt, so dass mehr Anhänger der anderen zu Hause bleiben als eigene Wähler.

Die Zufriedenheit mit Scholz als Ursache für das CDU-Debakel vermag den grassierenden Machtverlust der CDU in den Ländern jedoch nicht zu erklären. Inzwischen sind selbst die Grünen an mehr Regierungen beteiligt als die CDU. Dafür liefert ein anderer Aspekt des Hamburger Wahlkampfs einen Hinweis: Wenn über irgendetwas diskutiert worden sei, dann über die jeweils aktuellen Umfrageergebnisse, berichtete Wersich.

Daraus ging die Chancenlosigkeit der CDU früh hervor. Und darauf hätten die Wähler reagiert und lieber noch der FDP die Möglichkeit eingeräumt, als Korrektiv in einer Scholz-Koalition zu wirken, als die Stimme bei der CDU verloren zu geben. Die meisten früheren CDU-Wähler gingen zur FDP, aber auch SPD und AfD bekamen Teile ab.

Der Effekt fehlender Erfolgsaussichten zieht sich als Erfahrung durch viele Städte und Regionen: Die CDU kommt selbst dort nicht mehr ans Ruder, wo sie stärkste Fraktion wird, weil die anderen Parteien durch Koalitionen an der Union vorbei die Mehrheit stellen - zum Beispiel in Düsseldorf. Der Merkel-Partei kommen die Partner abhanden, die für eine realistische Macht-Option stehen. So ist die Thüringer Wahl nur ein Menetekel neuen Typs: Selbst wenn die CDU an Prozenten zulegt, übernehmen andere die Regierung.

Anders als nach früheren Großstadtpleiten verzichtete die Union gestern auf Konsequenzen. Es gehe nicht darum, ein Programm als Großstadtpartei und ein anderes als Partei für den ländlichen Raum zu besitzen, es müsse ein einziges stimmiges geben, lautete Merkels Richtungsvorgabe.

Der Blick auf die nächste Wahl in Bremen am 10. Mai bietet wenig Entspannung: Das rot-grüne Bündnis von SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen ist zwar weniger anerkannt als Olaf Scholz in Hamburg. Hier muss die CDU jedoch erst mal wieder an den Grünen vorbei wenigstens zweitstärkste Kraft werden.

Für NRW sieht CDU-Chef Armin Laschet gänzlich andere Bedingungen: In Hamburg habe Scholz mit Wirtschaftskompetenz bürgerliche Wähler angesprochen. Das unterscheide Hamburg von NRW. Hier werde das Land von Rot-Grün "unter Wert regiert". Deshalb ist sich Laschet sicher: "Mit unserer Kernkompetenz können wir auch in großen NRW-Städten gewinnen."

(RP)
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