London Cameron vor schwierigem Parteitag

London · Großbritanniens Premier David Cameron hat es derzeit nicht leicht: Wie seine konservative Partei ist er in den Meinungsumfragen abgestürzt. Auf dem Parteitag der Torys, der gestern in Birmingham begann, muss er Auswege zeigen.

Camerons Rede am Mittwoch wird mit Spannung erwartet.

Birmingham ist für den Premier eine schwere Herausforderung: Er kämpft auf mehreren Großbaustellen gleichzeitig. Handwerkliche Fehler, zuletzt bei der Vergabe einer attraktiven Eisenbahnstrecke, zeigen: In der Regierung herrscht Nervosität. Camerons Programm gegen die Wirtschaftskrise scheint nicht zu greifen. Die immensen Staatsschulden, das drückendste Problem der Briten und das größte Hindernis für eine vernünftige Wachstumspolitik, bekommt seine Regierung bisher nicht in den Griff.

Im laufenden Jahr stieg die monatliche Neuverschuldung teils drastisch. Damit steht auch für die nächsten Jahre der Schuldenabbau im Vordergrund. Vize-Premier Nick Clegg vom kleinen liberaldemokratischen Koalitionspartner merkte schon vorsichtshalber an, dass auch vor der nächsten Wahl im Jahr 2015 neue Ausgabenkürzungen anzukündigen sein werden.

Doch schon jetzt haben die Einschnitte nicht nur massive Unzufriedenheit geschürt und eine Arbeitslosigkeit von fast neun Prozent erzeugt, sondern auch zu einer Rezession beigetragen: Drei Quartale in Folge schrumpfte die britische Wirtschaft. Die Wirtschaftsweisen gehen inzwischen davon aus, dass das Land auch im Gesamtjahr 2012 kein Wachstum erzielen kann.

Das Ausbleiben der Wende zum Besseren lässt es mehr und mehr auch in den eigenen Reihen rumoren. Der Gegenwind kommt von rechts. Der erzkonservative Flügel um den wegen allzu großer Nähe zur Rüstungslobby entlassenen Verteidigungsminister Liam Fox macht Cameron fast bei jeder Gelegenheit das Leben schwer. Nicht nur, dass der Premier den Rechten in der Wirtschafts- und Steuerpolitik immer wieder nachgibt – als zusätzliches Ventil scheint er die Europapolitik auserkoren zu haben.

So sprach er sich gestern für einen eigenen Haushalt der Euro-Zone aus und gegen "unverschämte" Versuche, den EU-Haushalt für 2014 bis 2020 zu vergrößern. Notfalls werde Großbritannien ein Veto einlegen. Und der europakritische Flügel wird in Birmingham sein gewünschtes Referendum zu massiven Änderungen im britischen Verhältnis zur EU wohl bekommen.

(RP)
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