London Cameron: Großbritannien will in der EU bleiben

London · Sie wollten den berühmten "Geist der Bulldogge" sehen. Doch in London warteten die Beobachter gestern vergeblich auf eine neue Kampfansage von Premierminister David Cameron an Europa, mit dem das Königreich seit dem Euro-Gipfel am Wochenende eine unterkühlte Beziehung pflegt. Weil er in Brüssel Nein gesagt hatte zu Plänen für eine gemeinsame europäische Wirtschafts-, Währungs- und Finanzpolitik, hatte man dem britischen Regierungschef den Spitznamen "Bulldogge" verpasst.

Er werde mit Brüssel "unvoreingenommen" über die Beschlüsse des Gipfels sprechen, sagte Cameron im Parlament. "Wir wollen in der EU bleiben", versicherte der konservative Regierungschef.

"Kein Biss, nur lautes Bellen", schrieb sarkastisch der "Daily Telegraph" über die kleine, aber wichtige Kurskorrektur der "zahnlosen" Bulldogge in London. Die Beobachter erklären sie mit der Welle der Kritik, die die britische Regierung nach dem Gipfel mit voller Wucht getroffen hatte – auch auf der Insel selbst. So hatte der schottische Ministerpräsident Alex Salmond von Cameron eine Erklärung für dessen "groben Fehltritt" in Brüssel verlangt. In Wales warf die Chefin der Liberaldemokraten, Kirsty Williams, dem Tory-Chef vor, das Königreich unnötigerweise an den Rand des "größten Marktplatzes der Welt" verbannt zu haben.

Und in London schimpfte Ex-Außenminister David Miliband: "Es ist töricht zu glauben, dass wir uns etwas Gutes tun, indem wir uns von unseren Nachbarn absetzen." Selbst Camerons Koalitionspartner und Stellvertreter, der Liberaldemokrat Nick Clegg, zeigte sich "tief enttäuscht" von der Blockade.

Die landesweit übertragene Debatte im Parlament gestern zeigte deutlich den tiefen Zwist in der Koalition über die Europa-Frage. Clegg fehlte demonstrativ neben Cameron auf der Regierungsbank. Dafür wurde der Premier zu Beginn seiner Erklärung von Jubelschreien der europakritischen Tory-Hinterbänkler begrüßt. Die britischen Forderungen in Brüssel seien "vernünftig, bescheiden und wichtig" gewesen, verteidigte Cameron seine Position: "Wir wollten wirklich eine Lösung erreichen." Er habe jedoch Nein sagen müssen, weil die britische Finanzindustrie keine Garantien erhalten habe, erklärte der Tory-Chef. Dennoch werde sein Land ein "führendes Mitglied des EU-Binnenmarktes bleiben", beschwichtigte er.

Internet Das sagt die britische Presse zu Cameron: www.rp-online.de/politik

(RP)
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