Powell räumt Differenzen im Kabinett ein Bush kündigt Irak-Appell vor den Vereinten Nationen an

Washington (rpo). US-Präsident George W. Bush will nächste Woche vor den Vereinten Nationen an die Welt appellieren, das "Problem Irak" anzupacken. Das kündigte Bush am Mittwoch nach einem Gespräch mit Kongresspolitikern im Weißen Haus an.

"Ich appelliere an die Welt einzusehen, dass er (Saddam Hussein) alle an der Nase herumführt", sagte Bush. "Das ist etwas, dessen sich dieses Land annehmen muss. Und dieser Prozess beginnt heute mit einem offenen Dialog." Außenminister Colin Powell räumte unterdessen erstmals ein, dass es innerhalb der Regierung Differenzen über das Vorgehen gegen den Irak gibt.

Bush bereitet seine Rede vor den Vereinten Nationen am Donnerstag nächster Woche mit einer weltweiten diplomatischen Initiative vor. Am Samstag trifft er den britischen Premierminister Tony Blair auf seinem Wochenendsitz in Camp David. Kommende Woche werde er mit den Präsidenten Chinas, Russlands und Frankreichs telefonieren, kündigte Bush an. Damit hätte Bush alle ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates zuvor über seine Absichten unterrichtet.

"Saddam Hussein ist eine ernsthafte Bedrohung, ein bedeutendes Problem. Er hat keines der Versprechen, die er eingegangen ist, eingehalten. Elf lange Jahre hat er sich aus allen Vereinbarungen herausgewunden", sagte Bush. Powell räumte ein, dass innerhalb der Regierung unterschiedliche Auffassungen über das Vorgehen gegen den Irak herrschen. "Ich sehe eine Menge Differenzen, einige sind echt, einige angenommen, und einige übertrieben", sagte Powell. "Wir arbeiten alle hart und in Harmonie, um sicherzustellen, dass der Präsident die besten Informationen und alle unterschiedlichen Ansichten hört, die im Kabinett bestehen und Einfluss haben können, damit er die beste Entscheidung treffen kann. (...) Das einzige, was am Ende zählt, ist die Position des Präsidenten."

Powell hatte in einem Interview mit der BBC gesagt, die Rückkehr der Waffeninspekteure in den Irak habe Vorrang. Vizepräsident Richard Cheney hatte zuvor geäußert, eine Wiederaufnahme der Waffenkontrollen würde die Welt nur in falscher Sicherheit wiegen und die Gefahr nicht bannen, die von Saddam Hussein ausgehe.

Die Mitglieder des US-Kongresses äußerten sich am Mittwoch zufrieden nach dem Gespräch mit Bush. Sie hatten seit Wochen darauf gedrungen, in die Pläne der Regierung eingeweiht zu werden. Bush kündigte an, er werde die Zustimmung des Kongresses für einen etwaigen Militärschlag suchen. Seine Rechtsberater waren erst vor kurzem zu der Auffassung gelangt, dass dies nicht nötig sei. Der republikanische Senator John McCain sagte anschließend, er erwarte etwas ähnliches wie die Resolution, mit der der Kongress 1991 den Golfkrieg gebilligt habe.

Solana warnt vor Alleingang

Der EU-Beauftragte für Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, warnte die US-Regierung vor einem Militärschlag gegen den Irak. "Wir glauben, dass es ein großer Fehler wäre, eine solche Militäroperation im Alleingang anzugehen", sagte Solana in einem Interview der "Berliner Zeitung" (Mittwoch-Ausgabe). "Mit Sicherheit wäre es für den Rest der Welt schlecht, vermutlich aber auch für die USA selbst. Und deswegen sagen wir den Amerikanern in aller Klarheit: Die Vorstellung, man könnte den Mittleren Osten mit militärischen Mitteln neu ordnen, ist schlecht durchdacht." Solana sprach sich grundsätzlich gegen einen Präventiv-Krieg gegen den Irak aus. "Ein solches Vorgehen wäre mit dem internationalen Recht nicht vereinbar", sagte er. Alle nötigen Schritte gegen den Irak müssten im Rahmen der Vereinten Nationen getroffen werden.

Schröder erwartet Mitbestimmung über das "Ob"

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) erwartet von den USA auch Konsultationen darüber, ob überhaupt eine Militäraktion gegen den Irak unternommen wird. Der "Rheinischen Post" (Mittwoch) sagte der Kanzler: "Ich habe das amerikanische Konsultationsangebot immer so verstanden, dass man nicht nur über das Wann und Wie unterrichtet wird, sondern schon vorher mitbestimmt über das Ob. Und da sehe ich auf amerikanischer Seite noch Nachholbedarf."

Schröder bekräftigte, dass er eine deutsche Beteiligung an einer Intervention selbst im Falle eines UN-Mandats ablehnt. "Wer dort interveniert, der muss wissen, dass eine Neuordnung der politischen Situation im gesamten Nahen Osten nötig wird - mit allen Folgen. Und ich sehe keine Konzeption dafür." Bei einem Schlag gegen den Irak käme es voraussichtlich zu einem "Flächenbrand im gesamten Nahen Osten", sagte Schröder.

Fischer: "Größtes Risiko seit Vietnam"

Auch Außenminister Joschka Fischer (Grüne) bekräftigte unterdessen seine Ablehnung eines Angriffs auf den Irak. Eine militärische Intervention stelle "das größte Risiko seit dem Vietnam-Krieg" dar, sagte Fischer der "Mittelbayerischen Zeitung" (Mittwoch).

Fischer betonte, über den "furchtbaren Gewaltherrscher" Saddam Hussein und sein Bedrohungspotenzial gebe es keine neuen Erkenntnisse. Die USA müssten die Folgen eines Militärschlags gegen den Irak bedenken: "Wenn Amerika einen Regimewechsel militärisch erzwingt und in Bagdad sitzt, beginnt es ja erst richtig." Die US- Truppen müssten für einen langen Zeitraum im Irak bleiben, um Frieden und Stabilität zu gewährleisten. Saddam Hussein sei viel eher beizukommen, wenn mit der Zwei-Staaten-Regelung Frieden zwischen Israel und den Palästinensern hergestellt werde.

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Volker Rühe warf der Bundesregierung eine zögerliche Haltung in der Irak-Frage vor. Vor dem CDU-Wirtschaftsrat in Hamburg sagte der frühere Verteidigungsminister, Deutschland müsse gemeinsam mit den Vereinten Nationen Druck auf den Irak ausüben. Zwar fordere die Bundesregierung Saddam Hussein auf, die Rückkehr der UN-Waffeninspekteure in den Irak zu erlauben. Wenn dieser sich weigere, habe das aber keine Konsequenzen.

(RPO Archiv)
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