Bundeswehr-General will Klarheit bei Reform

Interview Generalleutnant Carl-Hubertus von Butler zur Zukunft des deutschen Heeres

Drohen die geplanten massiven Einsparungen im Rahmen der Bundeswehr-Reform vor allem die kostenintensiven Kampfverbände zu treffen? Die Niederländer haben jetzt sogar ihre komplette Panzertruppe abgeschafft, um Kosten zu sparen.

Butler Nein, im Gegenteil. Wir wollen gerade unsere Infanterie stärken, der wir zurzeit die längsten Einsatzzeiten und die kürzesten einsatzfreien Zeiten abverlangen. Für die Kampftruppe insgesamt gilt: Wir brauchen eine Ausgewogenheit an Fähigkeiten, die selbstverständlich auch unsere gepanzerten Verbände umfasst. Denn nur mit ihnen verfügen wir über die volle Durchsetzungsfähigkeit in unserem gesamten Aufgabenspektrum.

Richtet sich das Heer durch die Konzentration auf Afghanistan zu sehr allein auf diese Aufgabe aus?

Butler Der Einsatz in Afghanistan wird auch während der Reformphase zunächst weiter ganz entscheidend unsere Ausbildung der Hauptkräfte für den Einsatz bestimmen. Es gilt, unsere Soldaten bestmöglich vorzubereiten. Jedoch wird der Einsatz in Afghanistan keine Blaupause für die zukünftige Gestaltung des Heeres sein. Diese wird sich aus den zurzeit in Bearbeitung befindlichen Verteidigungspolitischen Richtlinien ergeben.

Die Nachwuchsgewinnung läuft nach Ende der Wehrpflicht offenbar nur schleppend an. Wie ist das beim Heer?

Butler Beim Unteroffiziers- und Offiziersnachwuchs mache ich mir keine Sorgen. Die Nachwuchsgewinnung im Bereich der Mannschaften bedarf unserer besonderen Anstrengung. Dahingehend haben Sie recht. Die Wehrpflicht wird zum 1. Juli 2011 ausgesetzt. Der Wehrdienst wird zukünftig nur noch von Freiwilligen ausgeübt. Entweder verpflichten sie sich als freiwillig Wehrdienende bis zu 23 Monate und werden mit einem guten Gehalt sowie sozialen Vorteilen belohnt. Oder sie werden gleich Zeitsoldat und werden bei guter Bezahlung Spezialisten in ihren Tätigkeitsfeldern. Für uns kommt es darauf an, den neuen Rahmenbedingungen ebenso schnell wie innovativ zu entsprechen. Ein wichtiger Schritt ist uns bereits gelungen, indem wir die Laufbahn der Mannschaften im Heer für weitere 2000 Frauen und Männer auf eine Dienstzeit von bis zu 15 Jahren öffnen konnten.

Es gibt aber kritische Stimmen, wonach die Bundeswehr zu einseitig durch junge Soldaten aus den neuen Ländern getragen wird und nun gar zu einer "Unterschichten-Armee" werde.

Butler Die Bundeswehr ist als "Armee der Einheit" gesamtdeutsch ausgerichtet. Für die Personalgewinnung ist die regionale Herkunft weder relevant noch ein Auswahlkriterium. Für alle Bewerber gelten die gleichen Prüfkriterien. Die Bundeswehr ist seit 1990 bestrebt, in Ost und West gleichermaßen präsent zu sein. In der Bundeswehr gibt es eine selbstverständliche "Durchmischung". Es gibt kaum einen Arbeitgeber, bei dem dies in diesem Ausmaß nach 1990 stattgefunden hat. Der Bildungsstand in unseren Streitkräften hat eine Qualität, um die uns andere Arbeitgeber beneiden. 20 Jahre nach der Wiedervereinigung spielen in der Bundeswehr Ost und West keine Rolle mehr. Ich halte diese Vorwürfe deshalb für altes Denken.

Welche Anreize bieten Sie jungen Frauen und Männern aus breiteren Gesellschaftsschichten, das Heer als Arbeitgeber zu wählen?

Butler Lassen Sie mich einige Beispiele nennen: die Möglichkeit einer zivilberuflichen Aus- und Weiterbildung, das Studium für Offiziere und die Möglichkeit, bereits in sehr jungen Jahren eigenverantwortlich zu arbeiten und Führungsverantwortung zu übernehmen. Zudem setzen wir finanzielle Anreize: im freiwilligen Wehrdienst zukünftig mit bis zu 1000 Euro netto pro Monat oder im Bereich der Mannschaftsdienstgrade mit bis zu 1500 Euro netto monatlich, wenn sie die Verpflichtungsprämie, die dieses Jahr gezahlt wird, noch mitnehmen. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Dienst stellt für uns keine hohle Phrase dar.

Was wünschen Sie sich für die nächsten Monate?

Butler Ich wünsche mir, dass wir in den Einsatzländern unseren Ausbildungsauftrag und den Schutz der Zivilbevölkerung ohne Störungen weiter mit Erfolg durchführen können. Die Reform ist von großer Bedeutung für das Feldheer. Dazu wünsche ich mir schnelle Entscheidungen. Wir wünschen uns ein modernes, attraktives Heer, das in allen Einsätzen bestehen kann und in dem Zusammenhalt und Gemeinschaftsgeist eine große Rolle spielen. Im Sinne unserer Frauen und Männer kommt es darauf an, zwischen den Einsätzen ausreichend Zeit für Regeneration, Ausbildung und die Familie zu haben. Dies sollen Grundpfeiler unserer Struktur werden.

Helmut Michelis führte das Gespräch mit Generalleutnant von Butler.

(RP)
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