Koch wusste laut "Focus" schon früher von Finanzpraktiken Bundestag will hessische Landesregierung verklagen

Hamburg/München (dpa). Der Bundestag will auf Betreiben des Untersuchungsausschusses zur CDU-Spendenaffäre die hessische Landesregierung auf Herausgabe von Akten verklagen.

Wie die „Bild“- Zeitung (Samstagausgabe) berichtet, hat der Vorsitzende des Ausschusses, der SPD-Abgeordnete Volker Neumann, dem hessischen Justizministerium eine Frist bis Mittwoch nächster Woche gesetzt. Werden die Akten bis dahin nicht freigegeben, will der Ausschuss am Donnerstag Klage erheben.

Die Unterlagen über das Finanzgebaren der Hessen-CDU, deren Herausgabe der Ausschuss seit Monaten vergeblich fordert, sollen nach dem Willen des Justizministeriums in Wiesbaden erst freigegeben werden, wenn die Landespartei zustimmt.

Erst am Freitag hatte das hessische Justizministerium den Vorwurf zurückgewiesen, es verzögere die Übersendung von Ermittlungsakten an den Untersuchungsausschuss: „Wir müssen die rechtsstaatlichen Grundsätze wahren“, sagte Staatssekretär Herbert Landau (CDU). Das Ministerium müsse zunächst die Betroffenen - darunter die CDU - fragen, ob sie Bedenken gegen die Weitergabe hätten. Als Grund nannte Landau, dass der Berliner Untersuchungsausschuss es abgelehnt habe, die Akten zur Vorprüfung einem Richter zu überstellen.

Neue Vorwürfe gegen den Wiesbadener Ministerpräsidenten Roland Koch: Das Münchener Nachrichtenmagazin "Focus" berichtete am Samstag, der hessische CDU-Vorsitzende habe möglicherweise schon im April 1999 von illegalen Finanzpraktiken seiner Landespartei gewusst. Wie eine von der Wiesbadener Staatsanwaltschaft beschlagnahmte Notiz aus dem Büro des seinerzeitigen CDU-Finanzberaters Horst Weyrauch belege, habe Koch damals einen Bericht über die Abwicklung einer CDU-internen Unterschlagung erhalten sollen. Der frühere CDU-Landesgeschäftsführer Siegbert Seitz erklärte allerdings, Koch habe diesen Bericht nie bekommen.

Laut "Focus" ging es darin um die Praktiken des wegen Unterschlagung entlassenen CDU-Fraktionsbuchhalters Franz Josef Reischmann. Seitz räumte ein, Erlöse aus dem Verkauf von Reischmann-Immobilien seien auf Weyrauch-Treuhandkonten gelangt und "wohl niemals von der Union ordnungsgemäß verbucht" worden. Der Leiter der hessischen Staatskanzlei, Franz Josef Jung, war am Donnerstag wegen des Falls Reischmann zurückgetreten und am Freitag durch den bisherigen Finanzstaatssekretär Jochen Riebel ersetzt worden.

Der ehemalige Finanzreferent der CDU-Landesgeschäftsstelle, Joachim Lehmann, warf Jung vor, in seiner Zeit als hessischer CDU-Generalsekretär mit Blankoschecks die "Unterschlagungen der kriminellen Type Reischmann" begünstigt zu haben. Zugleich bekannte Lehmann in "Focus", er selbst habe schon seit 1983 von den Auslandskonten der Landes-CDU gewusst.

Der neue hessische Staatsminister Riebel wies Rücktrittsforderungen an Koch zurück. "Roland Koch hat in der Tat ganz ausführlich vertieft aufgeklärt, er hat die Öffentlichkeit so unterrichtet, dass man eigentlich ihn loben müsste", sagte der CDU-Politiker im Hessischen Rundfunk. Riebel gab sich zuversichtlich, dass die CDU/FDP-Koalition in Wiesbaden auch weiterhin vertrauensvoll kooperieren werde. Er selbst wolle versuchen, "in der Staatskanzlei so zu arbeiten, dass die Regierung und damit Ministerpräsident Koch erfolgreich in den nächsten zweieinhalb Jahren arbeiten können".

(RPO Archiv)
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