Corona-Maßnahmen Bundestag streitet über epidemische Lage

Berlin · Die Bundesregierung will die epidemische Lage fortsetzen, insbesondere auf Drängen der Länder, wie es heißt. Grüne und FDP sind im Bundestag strikt dagegen. Am frühen Abend stand dem Parlament eine scharfe Debatte bevor.

 Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch im Bundestag.

Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch im Bundestag.

Foto: AP/Markus Schreiber

Im Bundestag zeichnet sich eine heftige Debatte zur Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite ab. Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Erwin Rüddel (CDU), kündigte am Mittwoch im Deutschlandfunk an, dem Vorhaben trotz anfänglicher Bedenken nun doch zuzustimmen. Die Grundlage habe sich geändert, weil die Bundesregierung nunmehr den Inzidenzwert als entscheidenden Maßstab für Corona-Maßnahmen aus dem Infektionsschutzgesetz streichen wolle. Damit sei der Grundstock für eine Normalisierung gelegt. Mehrere Unionsabgeordnete wollen das aber nicht mittragen.

Der Inzidenzwert habe überhaupt keine Aussagekraft mehr, sagte Rüddel. Deshalb halte er es für richtig, nunmehr die Rate der Corona-bedingten Krankenhausaufenthalte heranzuziehen, wie es die große Koalition plant. Rüddel verwies darauf, dass alle 16 Bundesländer darum gebeten hätten, die epidemische Lage zu verlängern.

Die epidemische Lage von nationaler Tragweite ist Voraussetzung für eine Reihe von Maßnahmen der Länder, wie die Maskenpflicht oder Kontaktbeschränkungen. Ohne den Beschluss zur Verlängerung, den der Bundestag am späten Nachmittag fassen will, würde sie Ende September auslaufen.

FDP und Grüne tragen die Verlängerung der epidemischen Lage nicht mit. Sie haben konkurrierende Anträge vorgelegt, die keine Verlängerung vorsehen. Und auch in der Union formierte sich nach Informationen des „Handelsblatts“ Widerstand. In der Sitzung des Unions-Fraktionsvorstands am vergangenen Freitag hätten sich die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Carsten Linnemann und Gitta Connemann (beide CDU) sowie Bundestagsvizepräsident Hans-Peter Friedrich (CSU) dagegen ausgesprochen, berichtet die Zeitung unter Berufung auf Teilnehmer. Demnach argumentierten die Abgeordneten, bereits mehr als die Hälfte der Menschen im Land seien geimpft, mit weiter steigender Tendenz. Nun werde immer wieder eine neue Impfquote ausgerufen oder auf Mutationen verwiesen, um weitere Grundrechtseingriffe zu rechtfertigen.

Führende Intensivmediziner haben unterdessen davor gewarnt, den Inzidenzwert aus den Augen zu verlieren. „Wir befinden uns wieder im exponentiellen Wachstum der Infektionen und auch der schweren Erkrankungen. Immer mehr junge Menschen landen im Krankenhaus, weil sie sich nicht impfen lassen haben oder es bislang nicht ernst genug genommen haben“, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), Christian Karagiannidis, unserer Redaktion. „Das Signal, das vom Streichen des Inzidenzwerts 50 ausgeht, ist kritisch. Natürlich hat sich die Bedeutung verändert, wir sollten den Inzidenzwert aber keinesfalls aufgeben. Ein Dreiklang aus Inzidenzen, Krankenhausfällen und Intensivbettenbelegung ist wichtig“, so Karagiannidis. „Und wir brauchen dringend von der Politik klare Leitlinien, welche Bremsen, wie zum Beispiel 2G  sie eigentlich wann ziehen will, wenn es neben NRW auch in anderen Bundesländern zu neuen Hotspots kommt“, fügte er hinzu.

Auch die Debatte um eine Impfpflicht bekommt neuen Schwung. Denn nun will die Lufthansa AG eine Corona-Impfpflicht für Crews einführen. Die Airline wolle mit den Personalvertretungen über eine Vereinbarung verhandeln, die eine Impfung zur Voraussetzung für den fliegerischen Einsatz mache, erklärte eine Sprecherin der Lufthansa am Mittwoch. Diese werde nur für das fliegende Personal, also nicht die Mitarbeiter am Boden gelten - und auch nicht für die Fluggäste. "Ein internationaler Flugbetrieb ist ohne Corona-Impfung für Flugzeugbesatzungen künftig nicht darstellbar." Denn Staaten verlangten den Impfnachweis auch von Piloten und Flugbegleitern, ergänzte sie.

(jd/dpa/afp/rtr)
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