Nach heftiger Kritik der Opposition Bundestag setzt Hartz-IV-Sanktionen bis Mitte nächsten Jahres aus

Berlin · Das Arbeitslosengeld II wird nach einer Entscheidung des Bundestags vorerst nicht gekürzt, wenn eine zumutbare Arbeit nicht angenommen wird. Dafür hatten die Parteien am Donnerstag gestimmt.

 Hartz-IV-Empfänger müssen weniger Sanktionen fürchten.

Hartz-IV-Empfänger müssen weniger Sanktionen fürchten.

Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Arbeitssuchende müssen bis Mitte kommenden Jahres weit weniger Hartz-IV-Sanktionen fürchten. Nach heftiger Kritik der Opposition beschlossen die Koalitionsfraktionen SPD, FDP und Grüne am Donnerstag im Bundestag die teilweise Aussetzung dieser Sanktionen. Die Linke enthielt sich. Die Union und die AfD-Abgeordneten stimmten dagegen. Ausgesetzt wird für ein Jahr die Möglichkeit, das Arbeitslosengeld II bei einer Pflichtverletzung um 30 Prozent zu mindern. Das gilt etwa, wenn eine zumutbare Arbeit nicht angenommen wird. Wer sich bei einem Termin im Jobcenter nicht meldet, muss ein Jahr lang ferner erst im Wiederholungsfall Sanktionen in Höhe von maximal zehn Prozent des Regelbedarfs fürchten (Meldeversäumnisse).

Voraussichtlich ab Juli 2023 sollen nach jetzigem Stand zwar wieder Abzüge möglich sein. Aber wie das Bürgergeld, das das heutige Hartz-IV-System ersetzen soll, an diesem strittigen Punkt genau ausgestaltet wird, ist noch offen. Zunächst war geplant gewesen, die Sanktionen nur bis zum Jahresende 2022 befristet auszusetzen.

Der CDU-Sozialexperte Kai Whittaker warf der SPD vor, es gehe ihr nicht um die Arbeitslosen, sondern darum, ihr „Trauma“ wegen der Hartz-Reform loszuwerden. „Damit beerdigen Sie ein für alle Mal das Prinzip von Fördern und Fordern.“ Annika Klose (SPD) argumentierte, es gebe nur wenige Sanktionen - aber viele Sanktionsandrohungen, die die Betroffenen heute oft unter Druck setzten.

Frank Bsirkse (Grüne) kündigte an: „Wir wollen mit dem Bürgergeld Hartz überwinden.“ Die Ampel werde im Sommer ein entsprechendes Konzept ausarbeiten. Bereits Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte am Vortag angekündigt, einen Gesetzentwurf für das geplante Bürgergeld im Sommer vorlegen zu wollen. Details zu möglichen künftigen Einschränkungen bei Pflichtverletzungen hatte Heil offengelassen.

Der FDP-Politiker Jens Teutrine räumte ein, das Sanktionsmoratorium sei kein Herzensprojekt der FDP. Bei 75 Prozent der Fälle handele es sich aber um Meldeversäumnisse, die auch während des Moratoriums weiter sanktioniert würden. Im Bürgergeld würden bis zu 30 Prozent der Abzüge möglich sein. Der Grundsatz des Fördern und Fordern bestehe weiter.

Der Deutsche Städtetag kritisierte die Aussetzung der Sanktionsmöglichkeiten als „falsch“. Das Moratorium verwirre die Betroffenen und komme zum falschen Zeitpunkt, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn Sanktionen jetzt bis zum Sommer 2023 ausgesetzt und mit der Einführung des geplanten Bürgergelds wieder eingeführt werden, sorgt das für Ärger und Unsicherheit.“

(dpa/boot)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort