Nach Sturm auf US-Kapitol Bundestag prüft Sicherheit des Parlaments

Berlin · Nach dem Angriff eines Mobs auf den Sitz des US-Parlaments gibt es neue Diskussionen über den Schutz des Reichstagsgebäudes in Berlin.

Teilnehmer einer Kundgebung gegen die Corona-Maßnahmen rannten am 29. August auf die Stufen zum Reichstagsgebäude, zahlreiche Reichsflaggen waren zu sehen. In das Gebäude gelangten sie nicht.

Teilnehmer einer Kundgebung gegen die Corona-Maßnahmen rannten am 29. August auf die Stufen zum Reichstagsgebäude, zahlreiche Reichsflaggen waren zu sehen. In das Gebäude gelangten sie nicht.

Foto: dpa/Achille Abboud

Nach der Erstürmung des Kapitols in Washington lässt Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) mögliche Schlussfolgerungen für den Schutz des Bundestages prüfen. „Dazu wurde bereits bei der deutschen Botschaft in Washington ein Bericht angefordert, wie es zu den Gewaltexzessen innerhalb des Kapitols kommen konnte“, teilte der Bundestag am Donnerstag mit. Die Prüfung geschehe in enger Abstimmung mit den Sicherheitsbeauftragten der Fraktionen sowie dem Land Berlin und dem Bundesinnenministerium.

Am Mittwoch waren bewaffnete Demonstranten in das US-Kapitol gestürmt. Bei den Ausschreitungen starben nach Behördenangaben vier Menschen. Der Angriff wog deutlich schwerer als die Vorkommnisse aus dem Sommer in Berlin. Dennoch weckten die Bilder aus Washington Erinnerungen an eine Aktion am Rande von Protesten gegen die Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern in der deutschen Hauptstadt. Am 29. August vergangenen Jahres waren Demonstranten auf eine Treppe des Reichstagsgebäudes gestürmt und bis an den Eingang gekommen. Polizisten konnten sie jedoch zurückdrängen. Damals hatten führende Parlamentarier darauf bestanden, dass der Bundestag ein offenes Haus bleiben und den Bürgern weiter offenstehen müsse.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte am Donnerstag auf Nachfrage, seit dem Vorfall auf der Treppe des Reichstagsgebäudes im vergangenen August fänden immer wieder Gespräche zum Sicherheitskonzept statt. Dabei werde insbesondere über Aus- und Fortbildung sowie über technische und personelle Unterstützung durch die Bundespolizei gesprochen. Die Bewältigung der Demonstration am 18. November vergangenen Jahres mit mehreren tausend Teilnehmern in unmittelbarer Nähe des Gebäudes, habe aus Sicht des Innenministeriums gezeigt, „dass die deutschen Polizeien erfahren und in der Lage sind, Versammlungen und den Schutz des Regierungsviertels, insbesondere des Reichstagsgebäudes zu gewährleisten“.

Der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Friedrich (CSU), äußerte sich gelassen zur Sicherheit des Reichstagsgebäudes. „Der Reichstag ist gut gesichert“, sagte Friedrich der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Freitag). Mit Blick auf die Proteste bei einer Demonstration im Sommer sagte Friedrich: „Im Unterschied zu den Bildern in Washington hab es im Sommer bei uns zu keinem Zeitpunkt eine Situation, in der es gelungen wäre, von außen in den Reichstag einzudringen. Die Gebäudehülle ist dicht.“ Man habe bereits Vorkehrungen getroffen. Zur Debatte um eine mögliche Bannmeile um das Parlament sagte der Vizepräsident des Bundestages: „Das Bannmeilen-Thema haben wir abschließend geregelt. Es wird von Fall zu Fall Entscheidungen geben unter Berücksichtigung der Sicherheitslage.“ Das sei auch vernünftig, so der CSU-Politiker. Ähnlich äußerte sich auch Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth: „Wir werden den Bundestag nicht in eine Zitadelle verwandeln, weil das genau das Ziel der Demokratiefeinde ist, die Offenheit unseres Parlaments zu zerstören“, sagte die Grünen-Politikerin der „Augsburger Allgemeinen“.

Ganz anders bewertete Friedrichs Parteikollege Markus Blume, Generalsekretär der CSU, die Folgen der gewaltvollen Szenen aus Washington für Deutschland. Blume plädierte für einen stärkeren Schutz unter anderem des Bundestages. „Wir müssen zeigen, dass Deutschland eine wehrhafte Demokratie ist“, sagte Blume unserer Redaktion. „Insofern sind alle Überlegungen zu begrüßen, um die Parlamente und die demokratischen Institutionen besser zu schützen.“ Wie Friedrich verwies auch der Generalsekretär auf die Erfahrungen aus Berlin vom August 2020. „Ich muss dabei an die drei Polizisten denken, die heldenhaft das Reichstagsgebäude vor dem Mob geschützt haben. Damals sind wir sehr knapp an einer Stürmung vorbeigeschrammt“, sagte Blume. „Ich bin davon überzeugt, dass man beides zugleich zeigen kann: dass unsere Demokratie wehrhaft und gleichzeitig transparent und offen ist.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort