Lissabon Bundeskanzlerin in Portugal mit Hassparolen empfangen

Lissabon · In Lissabon protestieren Hunderte gegen den Besuch Angela Merkels. Sie sei schuld am harten Sparkurs.

Es sind zwar nur vereinzelte Demonstranten, die es bis zum Fahrweg der Kanzlerin geschafft haben. Aber ihre Botschaft ist eindeutig. "Merkel raus", skandieren die Portugiesen, als Angela Merkel mit ihrer Kolonne in halsbrecherischer Fahrt vom Flughafen Lissabon zum Palast des Präsidenten in der Nähe des weltberühmten Hieronymus-Kloster unterwegs ist. Und das ist noch die harmloseste Variante.

An anderen Stellen verbrennen Demonstranten Strohpuppen, die die Kanzlerin darstellen sollen. "Hitler go home", steht auf einem Plakat. Und der Gewerkschaftsverband CGTP hat zu einem Marsch zur "Verteidigung der nationalen Souveränität" aufgerufen. Hunderte von Intellektuellen haben in einem offenen Brief Merkel sogar "zur unerwünschten Person" erklärt.

Die Kanzlerin nimmt die Proteste gelassen. "Das ist Demokratie und Meinungsfreiheit", sagt sie nach dem Treffen mit ihrem Amtskollegen Pedro Passos Coelho. Und sie weiß, dass man als Führungsmacht im Kleinen wie die Amerikaner im Großen nicht populär ist, wenn man auf die Einhaltung der Verpflichtungen der Länder drängt. Aber die Hasstiraden setzen ihr auch zu. Dabei gelten die Portugiesen eigentlich als recht diszipliniert und wenig deutschfeindlich. Und anders als Griechenland verfügen sie zudem über ein halbwegs geordnetes Staatswesen. Trotzdem spürt Merkel, dass der Spagat zwischen den Unzufriedenen in der eigenen Koalition, die keinen Euro mehr an einen der verschuldeten Krisenstaaten geben möchten, und den Unzufriedenen in den betroffenen Ländern, die endlich aus dem rigorosen Sparkorsett ausbrechen wollen, kaum noch zu schaffen ist.

Das Land, das Merkel jetzt nach Spanien, Italien und Griechenland besucht, galt bislang als Musterknabe in der Krise. Es schien auf gutem Weg, das von der Europäischen Union vorgeschriebene Schuldenziel von drei Prozent schon 2014 zu erreichen. Doch die hartnäckige Krise in den anderen Staaten, vor allem in Spanien und Frankreich, den beiden neben Deutschland wichtigsten Handelspartnern der Portugiesen, macht die Anpassung wieder schwieriger. Allein in diesem Jahr schrumpft die Wirtschaft um gut drei Prozent, die Arbeitslosigkeit liegt bei mehr als 15 Prozent.

Wirtschaftsexperten erwarten, dass die Krise im Euro-Raum noch mindestens fünf Jahre anhält. So lange werden die Länder des Südens die harte Sparpolitik wohl kaum aushalten, das fürchtet auch Angela Merkel. Doch eine Alternative ist nicht in Sicht. Die deutsche Kanzlerin setzt deshalb erst einmal weiter auf die Mischung aus Sparpaketen und Rettungsaktionen. Und auf die Psychologie: Sie lobt und muntert auf.

Die Wut der Demonstranten wie in Lissabon nimmt Angela Merkel bewusst in Kauf. Schließlich sei das ein Ventil, um auch mal Dampf abzulassen. Auf Dauer, so schwant es der Kanzlerin, wird das aber kaum helfen. Immerhin, so versprach sie ihrem Amtskollegen Passos Coelho, wolle sie im Gespräch bleiben. Und wenn sie einmal nicht mehr Bundeskanzlerin sein werde, werde sie ausgiebig Urlaub in Portugal machen. "Es ist einfach ein wunderschönes Land."

(RP)
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