Olaf Scholz in Südamerika Freier Handel in unfreier Welt

Meinung | Berlin · Nach Afrika und China bereist Bundeskanzler Scholz nun Südamerika. Es geht um Handelsabkommen, Klimaschutz, Rohstoffe und auch um neue Allianzen gegen Wladimir Putin. Gerade die großen Schwellenstaaten sind dafür wichtig. Doch die Allianz, die Scholz im krisengebeutelten Südamerika schmieden möchte, ist nicht unbelastet.

Bundeskanzler Olaf Scholz beim Gang durch das Viertel La Baco in Buenos Aires

Bundeskanzler Olaf Scholz beim Gang durch das Viertel La Baco in Buenos Aires

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Olaf Scholz ist wieder dort, wo ein Bundeskanzler unweigerlich hin muss, wenn er neue Partner finden, alte Partnerschaften pflegen und sein Land entwickeln will: unterwegs in der Welt. Scholz führt Zuhause mit der Ampel eine selbst erklärte Fortschrittskoalition. Und Fortschritt will er für Deutschland auch global organisieren -- auf seiner Reise durch drei Schlüsselstaaten Südamerikas. Erst Argentinien, dann Chile, dann Brasilien. Diese Staaten haben große soziale und wirtschaftliche Probleme, aber eben auch großes Potenzial. Ein Freihandels-Abkommen zwischen der Europäischen Union und dem Staatenbund Mercosur böte wegen seiner insgesamt gut 750 Millionen Verbrauchern auf beiden Kontinenten riesige Wachstumschancen. Doch dieses Abkommen liegt seit Monaten auf Eis. Scholz ist gekommen, um die Chancen für einen solchen Handelsvertrag wiederzubeleben. Gerade in Zeiten des Ukraine-Krieges mit gravierenden Auswirkungen auch für andere Weltregionen wäre dies ein Weckruf. Argentinien mit seiner Hyperinflation und Brasilien haben Pläne für eine gemeinsame Währung. Ein neuer, funktionierender Raum für Freihandel könnte auch ihren Volkswirtschaften wieder auf die Beine helfen.

Doch die Allianz, die Scholz im krisengebeutelten Südamerika schmieden möchte, ist nicht unbelastet. Freier Handel in unfreier Welt. Gerade Brasilien pflegt in der Gruppe der BRICS-Staaten, in der sich Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika zusammengeschlossen haben, enge Kontakte mit dem Kreml, was sich immer wieder auch bei Abstimmungen bei den Vereinten Nationen auswirkt. Für Mitte Februar kündigte zudem Südafrika ein gemeinsames Seemanöver mit Russland und China an – auch dies ein Zeichen, das sich diese großen Schwellenstaaten selbst vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges nicht unbedingt vom Westen einfangen lassen möchte. Die vernetzte Welt ist kompliziert. Und Scholz möchte mit seinem Aufschlag in Südamerika Pflöcke setzen – im Namen von Demokratie, Freiheit, Handel, Klimaschutz und Frieden. Denn der Bundeskanzler ist auch nach Südamerika gereist, um die Rohstoffabhängigkeit seines Landes auch von China zu reduzieren. Gerade Argentinien und Chile haben hohe Vorkommen an Lithium, das als Schlüsselmaterial für emissionsfreie Mobilität mit Elektrofahrzeugen gilt, weil es für den Bau von Batterien gebraucht wird.

Überall also neue und alte Interessen, neue und alte Partner, die beachtet und gepflegt werden wollen. In Brasilien geht es um die Rettung der Weltlunge, des Regenwaldes im Amazonas. In Chile um einen dunklen Teil deutscher Vergangenheit, die Sekte Colonia Dignidad. Scholz hat Zuhause – abseits der Lieferung deutscher Kampfpanzer an die Ukraine – genügend andere drängende Themen. Doch die Welt wartet nicht, weil der Wettlauf um Einflusszonen und Rohstoffe längst in vollem Gange ist. Scholz will im Namen seines Landes nicht zu spät kommen. Auch deshalb ist er nach Südamerika gereist. Für Fortschritt im eigenen Land.

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