Berlin Bundes-SPD verliert – und feiert

Berlin · Im Präsidium der SPD sind die Spitzenkandidaten der Landtagswahlen, Kurt Beck (Rheinland-Pfalz) und Nils Schmid (Baden-Württemberg), gestern Morgen ausgiebig gefeiert worden. Es gab Blumen, Küsschen und aufmunterndes Schulterklopfen.

Dabei hatte die SPD am Sonntag in beiden Ländern verloren. In Rheinland-Pfalz musste der langjährige Ministerpräsident Kurt Beck knapp zehn Prozentpunkte abgeben, im "Ländle" erzielte die Südwest-SPD sogar das schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte und musste erneut zwei Prozentpunkte Verluste verkraften. Doch dass Beck (mit den Grünen) in Mainz weiterregieren kann und in Baden-Württemberg nach 58 Jahren die Sozialdemokraten wenigstens am historischen Machtwechsel mit den stärkeren Grünen beteiligt sind, bestimmte die Atmosphäre im Willy-Brandt-Haus.

SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach nach der Gremiensitzung sogar von einem "guten Ergebnis" in Rheinland-Pfalz und freute sich über die "Volksabstimmung gegen die Atomenergie". Baden-Württembergs wahrscheinlicher Vize-Ministerpräsident Nils Schmid sah immerhin drei Wahlziele erfüllt: die Ablösung von Schwarz-Gelb, den Regierungsauftrag mit den Grünen und das Heraushalten der Linkspartei aus dem Landtag. Dass die SPD erstmals in eine Regierung unter einem grünen Ministerpräsidenten gehen muss, nannten SPD-Politiker nur hinter der Hand "ganz schön bitter".

Der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel forderte seine Partei dazu auf, im linken Lager wieder die Führerschaft anzustreben. Zwar hätten sich "die Gewichte zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün nach den Landtagswahlen zugunsten der zweiten Alternative verschoben", sagte Vogel im Gespräch mit unserer Zeitung. Aber: "Innerhalb dieser zweiten Alternative sollte die SPD in Zukunft wieder den ersten Platz anstreben."

Die Verluste der SPD in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg verglich der 85-Jährige mit den Rückschlägen für die NRW-SPD nach dem schwarz-gelben Sieg bei der Landtagswahl 2005. Die nordrhein-westfälische SPD habe in den Folgejahren gezeigt, dass sie "einen Substanzverlust schon nach fünf Jahren überwinden kann", sagte Vogel. Zugleich müsse die SPD sich wieder auf ihre Themen konzentrieren. "Die Zähmung des Raubtierkapitalismus, wie es Helmut Schmidt einmal formuliert hat, und die soziale Gerechtigkeit werden wegen ihrer Bedeutung schon bald wieder oben stehen", so Vogel.

Im Umfeld von SPD-Chef Gabriel werden die Erfolge der Grünen auf die Stimmungslage nach der japanischen Atomkatastrophe geschoben. Einen allgemeinen Bundestrend, der die Grünen dauerhaft als zweitstärkste Kraft in Deutschland etablieren könnte, gebe es nicht. "Niemand will Claudia Roth oder Jürgen Trittin als Kanzler", sagte ein Getreuer Gabriels. Nur die Sozialdemokratie könne die ökologische Erneuerung mit wirtschaftlicher Vernunft und sozialer Sicherheit verbinden.

(RP)
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