Kritik vom Städte- und Gemeindebund Bundesregierung verteidigt Ziel von 1,5 Millionen Wohnungen

Berlin · Mit Maßnahmen wie dem Baukindergeld oder der sozialen Wohnraumförderung sollen bis zum Ende der Legislaturperiode deutlich mehr bezahlbare Wohnungen entstehen. Doch Experten sehen die Pläne der Bundesregierung skeptisch.

 Neubauten in Hannover (Archivbild).

Neubauten in Hannover (Archivbild).

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Die Bundesregierung hat ihre Ziele für mehr bezahlbaren Wohnraum trotz scharfer Kritik verteidigt. Anne Katrin Bohle, neue Baustaatssekretärin im Innenministerium von Horst Seehofer (CSU), sagte unserer Redaktion: „Das Ziel von 1,5 Millionen Wohnungen ist ehrgeizig, aber die Bundesregierung hat schon zahlreiche Maßnahmen umgesetzt und angestoßen, die für mehr bezahlbaren Wohnraum sorgen.“

Das Verbändebündnis Wohnungsbau, dem die Industriegewerkschaft Bau, der Mieterbund und mehrere Interessengruppen der Bau- und Wohnungswirtschaft angehören, hatte das Vorhaben am vergangenen Donnerstag für gescheitert erklärt. „Wir wissen heute bereits, dass dieses Ziel nicht mehr erreicht werden kann“, sagte der Chef des Mieterbundes, Lukas Siebenkotten. 1,5 Millionen Wohnungen bis zum Ende der Legislaturperiode sei angesichts des Rückstands etwa beim sozialen Wohnungsbau nicht mehr machbar, hieß es. Eine Studie im Auftrag des Bündnisses hatte unter anderem ergeben, dass 2017 nur ein Drittel der erforderlichen 80.000 Sozialwohnungen fertiggestellt wurde.

Staatssekretärin Bohle zeigte sich optimistisch und verwies auf bereits beschlossene Maßnahmen: das Baukindergeld, die Aufstockung der sozialen Wohnraumförderung oder die vergünstigte Abgabe von bundeseigenen Grundstücken über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. „Um die Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt zu lösen, brauchen wir außerdem eine kluge Strukturpolitik; In manchen Kommunen gibt es schließlich auch Wohnungsleerstand“, fügte sie hinzu. „Deshalb müssen wir Ballungszentren entlasten, indem wir zum Beispiel neue Behörden dezentral ansiedeln.“ Vorschläge dazu werde die Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse bald vorstellen, sagte Bohle.

Die Kommunen selbst haben andere Ideen, ihnen geht es um eine engere Verzahnung von Metropolen mit dem Umland. Und offenkundig geht es ihnen auch darum, das Schwarze-Peter-Spiel um die Schuld für die Misere zu beenden. „Trotz der heißen Diskussionen sollten wir ehrlich sagen, das eine kurzfristige Lösung der Wohnungsprobleme in den Ballungszentren nicht möglich ist, da man Jahrzehnte lang den Sozialen Wohnungsbau zu sehr vernachlässigt hat“, sagte etwa der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg.

„Im Übrigen sollten wir nicht vergessen, dass es über eine Million leerstehende Wohnungen in Deutschland zumeist in den eher abgelegenen ländlicheren Räumen gibt“, so Landsberg weiter. Es müsse deshalb auch ein Ziel sein, diese Leerstände zugunsten der Menschen in den Ballungsräumen zu mobilisieren. „Das kann gelingen, wenn man zum Beispiel diese Gebiete mit Schnellbahntrassen an die Ballungsräume anschließt und im Zuge der Digitalisierung mehr Home-Office-Möglichkeiten eröffnet, so dass Wohnen und Arbeiten dort auch zusammengeführt werden können.“ Landsberg will darin auch einen Nutzen für den Klimaschutz erkennen. „Das wäre zugleich die aus Klimaschutzgründen unverzichtbare Entzerrung und Entlastung der Ballungsräumen“, sagte er.

Zugleich kämpfen Bauherren aber mit immer mehr Vorschriften und höheren Baukosten. Die Zahl der Bauvorschriften habe sich in den letzten Jahren von 5000 auf 20.000 vervierfacht, teilten die Kommunen mit. Zudem seien die Baukosten in den letzten zehn Jahren mit bis zu 36 Prozent schneller gewachsen als die allgemeinen Lebenshaltungskosten. „Hier muss dringend umgesteuert werden“, sagte Landsberg. Er forderte überflüssige Standards abzubauen, eine einheitliche Bauordnung der Länder zu schaffen und das serielle Bauen zuzulassen sowie die Normung und die bautechnischen Regeln einer strengen Prüfung auf Erforderlichkeit und einer Kosten-Nutzen-Analyse zu unterziehen. „Ohne eine nachhaltige Reduzierung der Baukosten wird es nicht gelingen, Wohnungsbauprojekte zu bezahlbaren Preisen zu realisieren“, mahnte Landsberg.

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