Sozialdemokraten wollen erste Regierungsbilanz im April Bürger erwartet bis Sommer Gesetzeswelle

Berlin · Wenn Union und SPD ihr Tempo beibehalten, werden sie in ein paar Monaten Halbzeit haben – zumindest was die Erfüllung des Koalitionsvertrags angeht. Die Sozialdemokraten wollen schon im April eine erste Regierungsbilanz vorlegen.

Wenn Union und SPD ihr Tempo beibehalten, werden sie in ein paar Monaten Halbzeit haben — zumindest was die Erfüllung des Koalitionsvertrags angeht. Die Sozialdemokraten wollen schon im April eine erste Regierungsbilanz vorlegen.

Dass sie nichts tun, kann man den Vertretern der großen Koalition zurzeit nicht vorwerfen. Das Regierungsviertel gleicht einem Bienenstock. Selten ist eine Regierung mit einem derartigen Arbeitseifer gestartet. Nachdem die Minister der SPD mit Energiewende, Rentenreform und Frauenquote schnell auf Betriebstemperatur gekommen waren, legt die Union nach der Regierungsklausur in Meseberg nach. Die Sozialdemokraten wollen schon bei einem Kongress im April eine Bilanz ihrer Regierungsarbeit ziehen.

Bis zum Sommer erwartet die Bürger eine regelrechte Welle an Gesetzen. Den größten Zeitdruck hat das Arbeitsministerium. Die Beamten dort mussten über Weihnachten durcharbeiten. Der Gesetzentwurf zur milliardenschweren Rentenreform soll in dieser Woche vom Kabinett verabschiedet werden. Zum 1. Juli wird das Paket in Kraft treten. Die Fristen sind allerdings so kurz gesetzt, dass die erhöhte Mütterrente rückwirkend ausgezahlt werden muss. Die betroffenen Frauen erhalten frühestens am 1. Oktober ihre erhöhten Altersbezüge.

Das hohe Tempo der Regierung ist vor allem von der SPD bestimmt, die es eilig hat, ihren Wählern zu beweisen, dass sie die Wahlversprechen auch umsetzt. Zudem wollen sich die Sozialdemokraten das Image aufbauen, sie seien der Motor der Regierung.

Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hat die Eckpunkte für seine Ökostrom-Reform schon durchs Kabinett gebracht. Der Staatssekretär mit dem Grünen-Parteibuch, Rainer Baake, trommelte die wichtigsten Energie-Fachleute aus dem Wirtschafts- und dem Umweltministerium bereits in der zweiten Januar-Woche für ein zweitägiges Seminar zusammen. Ihr Arbeitsauftrag: so schnell wie möglich ein Eckpunktepapier erstellen, das allen Beteiligten etwas abverlangt und am Ende konsensfähig genug ist, um in Brüssel und im Bundesrat zu bestehen.

Die Frage, wie schnell ein Gesetz auf den Weg gebracht werden kann, ist nicht nur vom Arbeitstempo der Beamten abhängig. Eckpunkte und Referentenentwürfe müssen auch die Kritik von Öffentlichkeit, Lobbyisten und den eigenen Parteifreunden überstehen. So wurde das Eckpunktepapier zum Erneuerbare-Energien-Gesetz am 19. Januar zunächst ohne den umstrittenen Anhang bekannt. Der wurde erst wenige Tage später nachgereicht, auf der Kabinettsklausur in Meseberg gebilligt und damit geräuscharm an der Öffentlichkeit vorbeigeschoben. Der unvermeidliche Entrüstungssturm der Industrie entlud sich dank des Schachzugs erst nach der Kabinettssitzung.

Bis zum Sommer sollen noch Eckpunkte oder Gesetzesentwürfe zum erweiterten Elterngeld für in Teilzeit arbeitende Mütter und Väter, zur Frauenquote, zur Mietpreisbremse, zum Mindestlohn, zur Pflegereform, zur Finanzierung der Krankenkassen und zur Elektromobilität vorliegen. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) will über die Zukunft der Islamkonferenz entscheiden, und um Ostern herum soll klar sein, wie es mit der Vorratsdatenspeicherung weitergeht.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist aus der Unionsriege diejenige, die ohnehin stets aufs Tempo drückt: Familienfreundliche Bundeswehr, mehr Präsenz in Afrika und die Truppe als Arbeitgeber. Was das für die Strukturen der Bundeswehr bedeutet, erörterte sie bereits mit Arbeitsagentur-Chef Frank-Jürgen Weise. Dass ein neuer, kräftiger Wind durchs Haus im Bendlerblock weht, zeigte sich auch bei der neuen Studie über die (schlechte) Befindlichkeit der Frauen in der Truppe. Hatte sich das Haus darauf eingestellt, erst einmal alles in Ruhe auszuwerten, drang von der Leyen auf schnelle Reaktionen.

Der Haushalt steht auch noch an. Schon am 12. März soll das Kabinett den Entwurf für 2014 und die Etat-Eckpunkte für 2015 verabschieden. Beides soll der Bundestag vor der Sommerpause Anfang Juli beschließen. Für Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist die Haushaltssanierung das wichtigste innenpolitische Thema: Er will nach Franz Josef Strauß der erste Finanzminister seit 1969 sein, der die Neuverschuldung des Bundes wieder auf null bringt. 2015 soll es so weit sein. Je schneller er den Haushalt durchbringt, so sein Kalkül, desto sicherer kann er dieses Ziel erreichen. Denn im weiteren Jahresverlauf werden sich die guten Nachrichten häufen: Wenn den Ministern bekannt ist, wie gut die Konjunktur und die Steuereinnahmen laufen, werden sie neue Ausgabenwünsche auf den Tisch bringen.

(mar, may-, qua)
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