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Neue Pannen BSE-Desaster brach Andrea Fischer das Genick

Frankfurt/Main (AP). Mit einem überzeugenden Krisenmanagement im BSE-Skandal wollte Andrea Fischer ihren ramponierten Ruf reparieren. Doch neue Pannen brachen der schon lange angeschlagenen Bundesgesundheitsministerin endgültig das Genick.

Fahrlässiger Umgang mit wichtigen Informationen zum Rinderwahn und mangelhafte Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsministerium sind die Hauptvorwürfe, aus denen Fischer am Dienstagabend mit ihrem Rücktritt unter Tränen die Konsequenzen zog.

Die Grünen-Politikerin übernahm damit nach 27 Monaten im Amt die Verantwortung nicht nur für persönliche Fehler, sondern auch für Schlampereien ihrer Mitarbeiter, die sie etwa über Warnungen der Bundesanstalt für Fleischforschung vor dem BSE-Risiko von Wurstwaren erst mit mehrtägiger Verspätung informierten. Wegen solcher Nachlässigkeiten wurde Fischer zuletzt erneut als "Pannenministerin" belächelt - wie bereits im Herbst 1999. Damals legte ihr Ministerium den Bundestagsabgeordneten bei der Abstimmung über die Gesundheitsreform einen Gesetzentwurf vor, in dem wichtige Seiten fehlten.

Schon vor dem BSE-Desaster war immer wieder spekuliert worden, wann die 40-Jährige im "Haifischbecken" Gesundheitswesen untergehen würde. Denn kein anderes Mitglied der rot-grünen Regierung stand von Beginn an so unter Dauerbeschuss wie Fischer. Schon die Entscheidung von Bundeskanzler Gerhard Schröder, das als besonders schwierig geltende Gesundheitsressort ausgerechnet einer jungen Grünen-Politikerin anzuvertrauen, die sich bis dahin eher als Rentenexpertin einen Namen gemacht hatte, war ebenso überraschend wie umstritten. Auch Fischer selbst, die sich eilig das Zigarettenrauchen abgewöhnte, sprach von einer "mir unerwartet zugefallenen Verantwortung".

Gescheitert ist die gebürtige Sauerländerin letztlich an dem Irrglauben, in dem undurchschaubaren Interessengeflecht des Gesundheitswesens eine Politik ohne große Kompromisse machen zu können. Auch deshalb musste sie schon nach einem Jahr ihre erste schwere Niederlage einstecken: Am 26. November 1999 brachte die Union im Bundesrat die lang geplante Gesundheitsreform 2000 in ihren Kernpunkten zu Fall. Auf neue Verhandlungen ohne Vorbedingungen und einen Verzicht auf das umstrittene Globalbudget wollte sich die Ministerin nicht einlassen. Und so blieb von dem erhofften großen Wurf, der das kränkelnde Gesundheitssystem dauerhaft sanieren sollte, nur Stückwerk übrig.

Die gelernte Druckerin und leidenschaftliche Saxofonistin hatte ihr Amt im Oktober 1998 mit dem Vorsatz angetreten, eine Gesundheitspolitik für die Patienten zu machen - nicht für die Ärzte, nicht für die Kassen und schon gar nicht für die Pharmaindustrie. Auf ihrer Suche nach einem gerechten Gesundheitssystem, das den Versicherten stabile Beitragssätze garantiert, wollte sie sich von niemandem vereinnahmen lassen. Doch ohne Lobby bei den großen Verbänden, mehr geduldet als geliebt vom Regierungspartner SPD, verhöhnt von der Opposition und lange ohne öffentliche Rückendeckung durch die eigene Partei manövrierte sie sich in eine Sackgasse.

In seiner Halbzeitbilanz erwähnte Schröder die Gesundheitspolitik mit keinem Wort mehr. Der SPD-Vorsitzende maßregelte die Grünen-Politikerin sogar öffentlich, als sie im vergangenen Frühjahr forderte, die beitragsfreie Mitversicherung von Ehepartnern einzuschränken und die Höhe der Kassenbeiträge nicht nur am Bruttoeinkommen zu orientieren.

Aber auch aus der eigenen Partei gab es wenig Schützenhilfe für die Ministerin. Erst im vergangenen November verabschiedeten die Grünen ein Positionspapier, in dem sie die Politik ihres prominenten Parteimitglieds demonstrativ unterstützten. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gudrun Schaich-Walch höhnte damals: "Ich finde es sehr positiv, dass die Grünen nach zwei Jahren entdeckt haben, dass die Gesundheitsministerin zu ihrer Partei gehört."

"Sexismus alter Männer"

Die teilweise sehr persönlichen Anfeindungen, von Fischers Staatssekretär Erwin Jordan als "Sexismus alter Männer" gegeißelt, ließen die Ministerin nicht kalt. "Das ist eine Form von Bloßstellung, die die Würde berührt", sagte sie in einem "Spiegel"-Interview. Selbstgefälligkeit war Fischer fremd. Doch ihre Offenheit wurde als Unbedarftheit ausgelegt, ihre Bereitschaft, sich für Fehler zu entschuldigen, als Schwäche. Die oft brüchige Stimme bei öffentlichen Auftritten diente als zusätzlicher Beleg ihrer Unsicherheit.

In ihrer ersten Bundestagsrede als Gesundheitsministerin sagte Andrea Fischer: "Viele, die mir in den letzten Tagen gratuliert haben, haben mich vor diesem Amt gewarnt. Da fielen die beeindruckendsten Worte, von denen das Haifischbecken fast noch eines der harmlosen ist. Gleichwohl würde ich nach den ersten Erfahrungen sagen: Diese Warnungen waren alle weit untertrieben."

(RPO Archiv)
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