Düsseldorf Brüderle schweigt zu Sexismus-Vorwurf

Düsseldorf · Die FDP feiert ihren umstrittenen Spitzenkandidaten beim Neujahrsempfang der NRW-Liberalen in Düsseldorf.

Der Spitzenkandidat tut so, als würde er die Fragen der Journalisten nicht hören. "Guten Tag" – das sind die einzigen Worte, die Rainer Brüderle in die zahlreichen Kameras spricht, als er die Halle des Maritim-Hotels in Düsseldorf betritt. Der Liberale wirkt genervt. Erst, als er Gastgeber Christian Lindner erblickt, entspannen sich die Gesichtszüge. Die Flucht vor den Mikrofonen ist damit erst einmal geglückt.

Der Andrang beim gestrigen Neujahrsempfang der NRW-FDP ist enorm. 1400 Gäste sind gekommen, doppelt so viele wie im Jahr 2012. Es seien keine Leihgäste der CDU im Raum, versichert NRW-Parteichef Lindner zu Beginn seiner launigen Rede. Ehrengast Brüderle begrüßt er als "unseren Freund, zu dem wir stehen". Die Liberalen im Saal wissen, was damit gemeint ist – und spenden tosenden Applaus.

Es ist der erste öffentliche Auftritt des FDP-Spitzenkandidaten nach den Sexismusvorwürfen, die eine Journalistin des Magazin "Stern" erhoben hatte. Der Pfälzer soll sich bereits vor einem Jahr in einem Gespräch spätabends an einer Bar anzüglich geäußert haben. Sie könne ein Dirndl "auch ausfüllen", soll der 67-Jährige der Reporterin gesagt haben. Nun wird mit Spannung erwartet, ob der FDP-Politiker sein Schweigen bricht. Eine Emnid-Umfrage hatte ergeben, dass 90 Prozent der Deutschen eine Entschuldigung erwarten.

Doch Brüderle schweigt in Düsseldorf weiter eisern. Viele Liberale horchen indessen auf, als der Redner lautstark über die "selbst ernannten Tugend-Jakobiner" von den Grünen schimpft. Die würden ihm "besonders zunehmend auf den Keks" gehen, beteuert Brüderle. Der Plan, bei Besserverdienenden mehr Steuern einzutreiben, führe zu einer neuen Überwachungsbürokratie. "Die wollen so eine Art grüne Steuer-Stasi entwickeln", ruft der Chef der FDP-Bundestagsfraktion unter Beifall in den Saal.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle fordert die Gäste schließlich zu Solidarität mit dem Vorredner auf – allerdings auch, ohne den Grund für die Kritik konkret zu benennen. Er habe selbst erlebt, dass es für den Mann an der FDP-Spitze bei den politischen Konkurrenten und "in einigen Redaktionsstuben kein Pardon mehr" gebe, betont Westerwelle. "Umso wichtiger ist es, dass diejenigen, die sich kennen, Zerrbilder, die in Medien über Menschen verbreitet werden, nicht durchgehen lassen", erklärt der Bundesaußenminister. Es werde nicht das letzte Mal sein, dass politische Gegner und Andersdenkende im Wahlkampf "ganz tief in den Schlamm greifen" würden.

Auch die Basis der FDP steht offenbar hinter Brüderle. Dessen Spitzenkandidatur verleihe der Partei neue Motivation, sagt Ralf Witzel, Chef der Ruhr-FDP, am Rande des Empfangs. Brüderle sei ein bürgernaher Politiker, der gern das direkte Gespräch mit der Bevölkerung sucht. "Für ihn zählt der gesunde Menschenverstand, nicht abgehobene ideologische Debatten", so Witzel. Mit ihm als Spitzenkandidat habe die FDP alle Chancen auf ein Ergebnis bei der Bundestagswahl, das deutlich über den aktuellen Umfragewerten liege.

Auch Hans H. Stein, Chef der Liberalen in Köln, nimmt Brüderle in Schutz: "Wenn man ernsthaft anfängt, selbst Komplimente in die Nähe des Sexismus zu rücken, verharmlost man die Fälle, bei denen uns tatsächlich der Hut hochgehen sollte", sagt Stein. Die "Vehemenz des Aufschreis" stehe in keinem Verhältnis "zur Aufregung über tatsächliche Unterdrückung etwa durch Burkas, Zwangsehen und sogenannte Ehrenmorde". Christof Rasche, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion, ist sich sicher: "Brüderle wird sich zu einem späteren Zeitpunkt zu den Vorwürfen äußern." Die FDP sei gut beraten, sich nicht an der "Schlammschlacht" zu beteiligen.

Die Debatte um die Vorwürfe hat am Wochenende zahlreiche Reaktionen ausgelöst. Gregor Gysi, Fraktionschef der Linken im Bundestag, hält die Kritik für überzogen. Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki, kündigte an, er werde in Zukunft keine Journalistinnen mehr in seinem Wahlkampfbus mitnehmen. Auch Entwicklungsminister Dirk Niebel stärkte seinem Parteifreund den Rücken. Die Vorwürfe seien eine "Unverschämtheit". Ein Jahr zu warten und den Vorfall nach der Nominierung Brüderles zu skandalisieren, das spreche für sich.

(RP)
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