London Briten streiten über Kopftuchverbot in Schule

London · Wurden an einer Grundschule im Londoner Stadtteil Croydon, an der Kinder im Alter von vier bis elf Jahren unterrichtet werden, die Menschenrechte verletzt? Direktorin Kate Magliocco muss sich in Kürze vor dem Londoner High Court wegen dieses Vorwurfs verantworten. Im vergangenen Herbst hatte sie einer neunjährigen Muslimin, die auf einmal mit Kopftuch zum Unterricht erschienen war, das Tragen der "Hijab" verboten. Daraufhin hatten die Eltern das Mädchen aus der Schule genommen und Klage eingereicht.

Das Mädchen sei eine gute Schülerin aus einer netten Familie, berichtet die Leiterin der staatlichen St. Cyprian's Greek Orthodox Primary School. Die Situation sei für beide Seiten betrüblich. Der Streit um das Kopftuchverbot sorgt seit dem Jahresbeginn für Gesprächsstoff in der britischen Hauptstadt.

Schauplatz des Konflikts ist ausgerechnet die einzige griechisch-orthodoxe Schule des Königreichs mit rund 400 Kindern. St. Cyprian's nimmt jedes Jahr neben 60 kleinen Christen auch einen Schüler "einer anderen Religion" auf. Die Fünftklässlerin ging nach den Worten der Direktorin seit 2010 zu St. Cyprian's, wo sie problemlos alle orthodoxen Bräuche befolgt habe – bis ihre Eltern festgestellt hätten, ihre Tochter sei in der Pubertät und dürfe deshalb ab sofort nicht mehr ohne den Hijab vor den männlichen Lehrern erscheinen.

Kate Magliocco hat kein Verständnis für die Klage der muslimischen Familie. Sie räumt zwar ein, dass die verpflichtende Kleiderordnung der Schule ("blauer Rock, weiße Bluse, marineblauer Pullover") Kopftücher nicht ausdrücklich verbiete und der Staat allen Schulen einen "vernünftigen Umgang mit verschiedenen religiösen Bedürfnissen" empfehle. Aber die Eltern seien vor der Aufnahme über die "ausgeprägte Kleiderordnung" der Schule informiert worden.

Wer hat Recht? Manche Briten halten Magliocco für unflexibel und intolerant. Andere kritisieren jedoch, dass die Hijab-Forderung die männlichen Pädagogen pauschal zu potenziellen Pädophilen stemple.

In Croydon schlagen die Emotionen hoch. "Die Schulen sollten nicht so streng sein und den muslimischen Mädchen ihre Kopftücher erlauben", plädiert Shuiab Yusaf, Sprecher der örtlichen Moschee. "Wenn die Eltern unzufrieden sind, dann sollten sie ihr Kind doch in eine muslimische Schule schicken", hält Natalia Gouveia entgegen, die selbst einen Sohn in der St. Cyprian's hat: "Ich hoffe sehr, dass sich das Gericht nicht aus Respekt vor den Muslimen davon abhalten lässt, das richtige Urteil zu fällen."

Tatsächlich wird die Rechtsprechung im multikulturellen Großbritannien zunehmend zu einer Gratwanderung. Laut der jüngsten Volkszählung (2011) leben auf der Insel 63 Prozent mehr Einwanderer als vor einem Jahrzehnt, der Anteil der Muslime hat sich von knapp zwei auf fünf Prozent erhöht.

Wo beginnt und endet deren religiöse Freiheit? Vor wenigen Jahren setzte sich eine Schule in Luton vor dem High Court mit einem Bann des traditionellen muslimischen Frauenkleides Jilbab (ein bodenlanges Oberkleid mit Schleier) im Unterricht durch. 2011 urteilte der High Court, dass eine Londoner Schule mit dem Verbot einer Zöpfchen-Frisur die religiösen Gefühle eines Jungen mit afrikanischen Wurzeln verletzt habe.

(RP)
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