London Briten stellen ihre Atombewaffnung infrage

London · Es gibt keine Tabus mehr für die Regierung von David Cameron, die im Kampf gegen die ausufernde Staatsverschuldung kräftig auf die Ausgabenbremse drückt. Nachdem die liberal-konservative Koalition bereits die Sozialhilfeempfänger, Kommunen und den Öffentlichen Dienst auf Sparflamme gesetzt hat, erwägt sie jetzt einen radikalen Schritt bei der Verteidigung des Landes: Erstmals in der Geschichte der Atommacht Großbritannien wird derzeit in London ernsthaft darüber diskutiert, ob das Königreich seine permanente nukleare Abschreckung aufgeben und die Zahl der Träger des Raketensystems "Trident" halbieren kann.

Eine eventuelle atomare Abrüstung war jahrzehntelang ein politisches Tabuthema im Königreich. Allerdings zwingt jetzt die schwierige Haushaltslage die Politiker dazu, die große Finanzbürde des Raketenschildes noch einmal zu überprüfen. Als kleinste der fünf offiziellen Atommächte lässt Großbritannien seit fast 20 Jahren ununterbrochen mindestens eines seiner vier Atom-U-Boote in den Weltmeeren patrouillieren, während die anderen gewartet oder für Trainings genutzt werden. Die seit 1994 verwendeten "Vanguards", doppelt so groß wie ein Jumbojet, sind rund um die Uhr bereit, ihre 16 "Trident"-Raketen mit je drei Gefechtsköpfen gegen einen bis zu 7400 Kilometer entfernten Feind abzufeuern.

Allerdings muss das auf der schottischen Marine-Basis Faslane beheimatete System aus Sicherheitsgründen ab etwa 2028 durch neue U-Boote ausgetauscht werden. Nach Experteneinschätzung braucht das Land mindestens 17 Jahre, um einen modernen Waffenträger für die von den USA gekauften Langstreckenraketen zu entwickeln und zu bauen. 20 bis 25 Milliarden Pfund soll allein die Bereitstellung des "Vanguard"-Ersatzes kosten. Der heftige Streit in der Downing Street um das Erbe des Kalten Krieges könnte 2015 über den Ausgang der britischen Parlamentswahl entscheiden. Die Frage lautet: Was tun mit dem Raketenschild, wenn die veraltete Technik schon aus Sicherheitsgründen ausgetauscht werden muss?

Darum wird die Regierung von den Militärs dazu gedrängt, schnell eine wegweisende Entscheidung zu treffen. Die Weichenstellung soll nach dem Willen der Koalition spätestens 2016 fallen.

(RP)
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