London Royal Mail

London · Briefe von Prinz Charles beschäftigen das höchste Gericht in Großbritannien.

Unter den Ministern Ihrer Majestät waren sie als "Schwarze-Spinnen-Memos" berüchtigt: Memoranden, die mit Kommentaren in krakeliger Handschrift, Unterstreichungen und Ausrufezeichen versehen waren. Es handelte sich um Briefe über aktuelle Themen wie Umweltschutz, Gesundheitspolitik oder Menschenrechte. Geschrieben wurden sie von Prinz Charles. Das macht die Briefe hochbrisant: Vom britischen Thronfolger wird politische Neutralität erwartet.

Die Existenz der Memos ist bekannt, ihr Inhalt nicht. Die linksliberale Zeitung "Guardian" kämpft seit vier Jahren darum, 27 Briefe aus den Jahren 2004 und 2005, die Charles an Ministerien schickte, einsehen und veröffentlichen zu dürfen. Genauso lange verweigert die Regierung die Herausgabe: Der Inhalt sei privat. Der oberste Gerichtshof muss nun endgültig über eine Veröffentlichung entscheiden.

Der Thronfolger sieht seine konstitutionelle Pflicht darin, Anwalt für die unausgesprochenen Belange des Volkes zu sein. Er macht von seinem Recht Gebrauch, das ihm die ungeschriebene Verfassung einräumt: zu warnen und zu beraten. Deshalb hält er engen Kontakt zur Politik. Er arbeitete beispielsweise hinter den Kulissen daran, dass es in Großbritannien nicht zum Anbau von genverändertem Mais kam.

Seine Gegner sehen in seinem Engagement jedoch einen Bruch des Verfassungsgrundsatzes der politischen Neutralität. "Wenn Charles glaubt, es gehöre zu seiner Rolle, mit Briefen Politik zu machen, dann sollten wir darüber eine öffentliche Debatte haben", sagt Alan Rusbridger, Chefredakteur des "Guardian".

Vieles spricht dafür, dass sich der Thronfolger in seinen Memos so unverblümt geäußert hat, dass sich der britische Generalstaatsanwalt gleich zweimal gezwungen sah, sein Veto gegen eine Veröffentlichung einzulegen, weil er um das Ansehen des künftigen Königs fürchtete.

Die 27 Briefe, um die es aktuell geht, wären nur die Spitze des Eisbergs. Seit Charles 1969 den Titel des Thronfolgers "Prince of Wales" erhielt, schickte er Tausende von Memos. In einigen soll er sich, enthüllte sein Privatsekretär Mark Bolland, derart despektierlich über britische und ausländische Politiker ausgelassen haben, dass sie als politisch hochsensibel gelten.

(RP)
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