Kehrtwende der Bundesregierung zum Ukraine-Krieg Nun also doch – Deutschland liefert Kampf-Panzer

Berlin · Kehrtwende in der Panzer-Frage: Am Dienstagabend zeichnete sich ab, dass die Bundesregierung nach langem Zögern nun doch „Leopard“-Kampfpanzer an die Ukraine liefern wird – auch anderen Nato-Staaten wird eine solche Abgabe von Panzern Made in Germany gestattet.

 Verteidigungsminister Boris Pistorius (rechts) beim gemeinsamen Auftritt mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstag in Berlin

Verteidigungsminister Boris Pistorius (rechts) beim gemeinsamen Auftritt mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstag in Berlin

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Am Morgen noch äußert Boris Pistorius verhalten Hoffnung. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist im Bendler-Block in Berlin zu Besuch. Der neue deutsche Verteidigungsminister und der erste Mann der nordatlantischen Allianz reden – auch über die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine. Pistorius sagt: „Ich rechne damit, dass in Kürze eine Entscheidung fällt.“ Vielleicht weiß er in diesen Minuten schon mehr als er öffentlich sagen kann. Wenig später kommt die Nachricht, dass Nato-Nachbar Polen in Deutschland die Erlaubnis beantragt hat, Leoparden aus eigenen Beständen an die Ukraine zu liefern.

Knapp zehn Stunden nach dem Treffen zwischen Pistorius und Stoltenberg dann die Meldung: Die Bundesregierung habe entschieden, Leopard-Kampfpanzer doch an die Ukraine zu liefern. Und weiter: Deutschland gestatte zudem auch anderen Ländern, die über Leopard-Panzer verfügen, diese an die Ukraine abzugeben.

Seit Monaten schon will die Ukraine wissen: Wann liefert Deutschland endlich oder erlaubt zumindest anderen Länder eine Panzer-Abgabe aus deren Beständen? Womöglich hängt die Kehrtwende der Bundesregierung in dieser Frage auch damit zusammen, dass nun auch Washington eigene Kampfpanzer des Typs Abrams der Ukraine zur Verfügung stellen könnte. Eine offizielle Bestätigung dafür aber steht noch aus.

Pistorius wollte am Morgen „keinen Wasserstand“ melden, wenn, dann gehe es um „belastbare Zahlen“. Um Missverständnissen vorzubeugen, betont er noch, selbstverständlich müsse die Bundeswehr ihre Panzer nicht zählen. Die Truppe wisse, was sie am Hof oder in den Depots stehen habe. Es gehe um „Kompatibilität“ der Systeme, also darum, „welche Einheiten können wir zusammenschließen“, so der SPD-Politiker. Außerdem: Nato-Partner, die über einsatzbereite Leopard-Panzer verfügten, dürften getrost bereits jetzt mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten an diesen Panzern beginnen. „Das ist da, wo das möglich ist und gewollt ist, überhaupt gar keine Frage. Da stehen wir nicht im Weg.“ Später am Tag wird deutlich: Deutschland will auch darüber hinaus nicht im Weg stehen, sondern liefert die Leoparden bald selbst.

Damit bisherige Militärhilfe aus Deutschland in der hitzigen Debatte über Kampfpanzer nicht vergessen wird, erinnert Pistorius nochmals, dass Deutschland neben Großbritannien in der Spitzengruppe jener Staaten stehe, die der Ukraine mit Militärhilfe beigesprungen seien, insgesamt Lieferungen in Höhe von bislang 3,3 Milliarden Euro. Der Nato-Generalsekretär lobt: „Deutsche Waffen retten jeden Tag Leben in der Ukraine.“ Er sagt allerdings auch, es käme bei der Unterstützung für die Ukraine auch auf Tempo an. „Wir müssen schnell sein.“ Stoltenberg betont in Berlin noch, Kampfpanzer seien „natürlich wichtig“, wenn die Ukraine von Russland besetzte Gebiete wieder zurückerobern wolle.

Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), hat die Entscheidung für die Lieferung deutscher Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine begrüßt. „Es ist eine richtige Entscheidung, die Ukraine mit Leopard-Panzern zu unterstützen. Das Ziel ist es, die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine zu erhöhen und ihr zu ermöglichen, besetzte Gebiete zu befreien“, sagte Hofreiter unserer Redaktion. „Das Regime Putin hält den Westen immer noch für schwach und glaubt, langfristig den Krieg zu gewinnen. Erst wenn Russland erkennt, dass dies ein Irrtum ist, besteht eine Chance für ein Ende des Krieges“, sagte Hofreiter. „Und selbstverständlich wäre es für das Ansehen in Europa besser gewesen, wenn die Entscheidung schneller gefallen wäre. Aber besser spät als zu spät.“

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), hat die Entscheidung für die Lieferung von Leopard-2-Panzern an die Ukraine ebenfalls begrüßt. „Die Entscheidung war zäh, sie dauerte viel zu lange, aber sie ist am Ende unausweichlich. Dass Deutschland die Lieferung seines Panzers Leopard 2 durch Partnerländer freigibt und auch selbst liefert, ist eine erlösende Nachricht für das geschundene und tapfere ukrainische Volk“, sagte Strack-Zimmermann am Dienstagabend der Deutschen Presse-Agentur.

Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat die Entscheidung der Bundesregierung ebenfalls gutgeheißen, Kanzler Olaf Scholz (SPD) aber zugleich Zögerlichkeit vorgeworfen. „Die Entscheidung ist richtig“, sagte der CDU-Vorsitzende am Dienstagabend der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

(mit dpa/AP)
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