Bodo Ramelow tritt 2024 noch einmal an Unbeugsamer Landesvater

ERFURT · Bodo Ramelow will es noch einmal wissen. Der einzige Ministerpräsident der Linken hat nun in Erfurt bekanntgegeben, dass er sich 2024 bei der Landtagswahl in Thüringen noch einmal als Spitzenkandidat seiner Partei um das höchste Regierungsamt im Freistaat bewirbt. Ramelow treibt auch an, dass die rechte AfD in Umfragen in Thüringen zurzeit auf Platz eins liegt -- vor der Linken auf Platz zwei

Bodo Ramelow bei einer Parteiveranstaltung am Samstag in Erfurt, wo der Linken-Politiker erklärt, dass er sich bei der Landtagswahl 2024 in Thüringen erneut für das Amt des Ministerpräsidenten bewerben will

Bodo Ramelow bei einer Parteiveranstaltung am Samstag in Erfurt, wo der Linken-Politiker erklärt, dass er sich bei der Landtagswahl 2024 in Thüringen erneut für das Amt des Ministerpräsidenten bewerben will

Foto: dpa/Heiko Rebsch

Mit seiner Frau hat er längst gesprochen. Germana Alberti vom Hofe, gebürtige Italienerin aus Parma, hat ihm zugeraten. Morgens, wenn bei Bodo Ramelow nach dem ersten Kaffee und der Nachrichtenlage der Adrenalinpegel steigt, hört sie zu, was der Ministerpräsident da noch privat und ganz persönlich zur Lage in der Welt und in Thüringen loswerden muss. Nun steht Ramelow im „Kontor“ in Erfurt, einem ehemaligen Handelskontor aus alten DDR-Zeiten, und gibt vor den Genossinnen und Genossen seiner Partei eine „Liebeserklärung an meine Frau ab, die muss das alles aushalten“. Ramelows Hund, Jack-Russell-Terrier „Attila“, ist auch mit im Saal. Soeben hat ihn seine Partei nach einer Gremiensitzung erneut zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Herbst 2024 in Thüringen ausgerufen. Ramelow, keine Frage, nimmt nach bereits erfolgter Beratung mit seiner Frau die ihm angetragene Kandidatur gerne an. „Ich kämpfe für eine eigenständige Mehrheit“, sagt der Mann, der seit drei Jahren mit einer rot-grün-roten Minderheitsregierung die politischen Geschäfte im Freistaat führt. Aber mit der Minderheit soll es nach der nächsten Landtagswahl vorbei sein. Ramelow will eine Mehrheit, bei der er nicht mehr auf die Zusammenarbeit mit der oppositionellen CDU Rücksicht nehmen muss. Und natürlich will er auch Bollwerk gegen die rechte AfD im Freistaat sein. Wenn er gewählt wird, dann will Ramelow das Amt des Ministerpräsidenten für die volle Amtszeit von fünf Jahren übernehmen. An deren Ende wäre er dann 73 Jahre alt.

Wenn es drauf ankommt, ist Ramelow ganz Landesvater. Dann muss auch seine Partei Die Linke zurückstehen. Erst das Land, dann die Partei. So ist es nun mal, wenn man Ministerpräsident ist. Und vielleicht noch etwas mehr, wenn man es bleiben will. Wenn es drauf ankommt ist Ramelow auch ganz Staatsmann. Eine Rolle, die ihm gut gefällt. Bis Ende Oktober war Ramelow, der bis dato einzige Ministerpräsident mit Linken-Parteibuch, in einem rotierenden Verfahren Vorsitzender des Bundesrates -- und in dieser Rolle, je nach Lesart der protokollarischen Rangfolge, vierter beziehungsweise zweiter Mann im Staate. Ramelow nimmt für sich im Zweifel gerne die Nummer zwei in Anspruch – für jene seltenen Fälle, in denen er Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier tatsächlich vertreten hat. Ramelow hat in dieser Rolle einige Auslandsreisen gemacht – auch nach Chile, ein Sehnsuchtsland vieler Linker. In Polen war er auch, bei der EU in Brüssel, bei der deutschsprachigen Minderheit in Eupen.

Unlängst jedenfalls hat Ramelow seiner Partei wieder Stoff zum Nachdenken – und auch zum Aufregen – geliefert, als er sich im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ für Waffenlieferungen aussprach. „Früher war ich ein Gegner von Waffenlieferungen. Heute sage ich ergänzend. Jeder, der angegriffen wird, hat das Recht, sich zu verteidigen.“ Diese Aussage von Ramelow setzte umgehend Co-Parteichef Martin Schirdewan in Marsch. Europapolitiker Schirdewan, erst beim Bundesparteitag im Juni in dieses Amt neben Janine Wissler gewählt, betonte, Waffenlieferungen seien nicht Kurs der Partei, die bekanntlich die Nato auflösen und sämtliche Bundeswehr-Auslandseinsätze am liebsten beenden will. Aber an diesem Samstag in Erfurt ist Schirdewan erst einmal „froh, dass Bodo wieder bereitsteht“.

Jetzt stehen Ramelow und Schirdewan am späten Samstagnachmittag gemeinsam auf der Bühne. Im „Kontor“ in Erfurt haben soeben die Parteigremien der Linken getagt. Ramelow hat etwas zu verkünden. Etwas, was wichtig für Thüringen, das Land, wichtig für die Linke, die Partei, und wichtig für ihn selbst ist. Ramelow ist jetzt 66 Jahre alt, und er habe sich schon gefragt, ob mittlerweile ein Punkt erreicht sei, an dem er aus der Politik ausscheiden wolle, hatte er unlängst dem „Spiegel“ gesagt. Aber er hat sich dann doch für Thüringen entschieden, für das Land. Gerade haben die Gremien getagt. Keine Überraschung: Die Linke will, dass Ramelow bei der nächsten Landtagswahl im Herbst 2024 in Thüringen noch einmal als Spitzenkandidat für das Amt des Ministerpräsidenten kandidiert. Ramelow ist dann 68 Jahre alt. Er hätte auch noch andere Pläne haben können. Italien etwa, wo seine Frau herstammt. Aber nein, dass die rechte AfD, die in Thüringen mit ihrem Frontmann Björn Höcke noch etwas rechter ist als im Rest der Republik, aktuell mit Werten zwischen 24 und 26 Prozent auf Platz eins in den Umfragen und damit vor der Linken liegt, dies spornt Ramelow zusätzlich an. Als einziger Ministerpräsident der Linken will „ich meine Popularität“ nutzen und verhindern, dass die AfD womöglich stärkste Kraft wird. Nicht auszudenken…

Gerade jetzt, da die krisengeplagte Linke seit Wochen über eine angebliche Parteineugründung durch Sahra Wagenknecht debattiert und somit eine mögliche Spaltung der Partei befürchtet wird, würde ein Rückzug von Ramelow aus der Politik besonders schwer wiegen. Ramelow hat sich klar positioniert und Wagenknecht mehrfach öffentlich kritisiert, zuletzt wegen ihrer Aussage, die von der EU beschlossenen Sanktionen gegen Russland würden Deutschland mehr schaden als Putin. Da steht er nun. Er kann nicht anders. Er will auch nicht anders. Auch wenn ein Parteitag Ramelow der Form nach noch offiziell als Spitzenkandidat bestimmen muss, ausgerufen ist seine Kandidatur schon mit diesem Auftritt in Erfurt. Was die Alternative zu Ramelow gewesen wäre, wenn dieser nicht wieder angetreten wäre, wird Linke-Landesvorsitzende Ulrike Grosse-Röthig noch gefragt. Die Antwort übernimmt Ramelow gleich selbst: „Attila.“ Sein Jack-Russell-Terrier.

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