Steuerabkommen mit der Schweiz gescheitert Blockade kostet Länder 17 Milliarden Euro

Berlin · Um das Schweizer Steuerabkommen durchzusetzen, versprach die Bundesregierung den Ländern Milliarden – ohne Erfolg.

Um das Schweizer Steuerabkommen durchzusetzen, versprach die Bundesregierung den Ländern Milliarden — ohne Erfolg.

Hoch gepokert — und doch verloren. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat den rot-grün regierten Ländern in den seit Monaten strittigen Fragen zum Schweizer Steuerabkommen, der Förderung der energetischen Gebäudesanierung und den Korrekturen im Steuertarif in allerletzter Minute ein Milliardenangebot auf den Tisch gelegt. Allerdings vergebens.

Im Vermittlungsausschuss, dem Bund-Länder-Gremium, das die unterschiedlichen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat zu Kompromissen führen soll, machte der Verhandlungsführer der Regierung, Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU), am vergangenen Mittwoch ein überraschendes Angebot. Damit SPD und Grüne dem Steuerabkommen doch noch zustimmen, versprach Angela Merkels Vertrauter den Ländern für 2014 bis 2019 eine Summe von 15 Milliarden Euro für Straßenbau, Wohnungsprojekte oder sonstige Investitionen. Hintergrund: Den Ländern stehen aus der ersten Föderalismuskommission sogenannte Entflechtungsmittel zu. Diese Gelder sollten eigentlich ab 2014 schrittweise abgeschmolzen werden. Nun bot Pofalla eine Verstetigung der Mittel bei 2,5 Milliarden Euro jährlich an. Außerdem sollte die Zweckbindung wegfallen, so dass die Länder frei wären bei der Wahl der Investition.

Doch nicht nur das: Weil Schwarz-Gelb unbedingt den Erfolg beim Steuerabkommen wollte, hatte die Bundesregierung parallel zu den Verhandlungen mit den Ländern mit der Schweiz Verschärfungen des Abkommens verabredet. So sollten Steuersünder, die zwischen Juli und Dezember dieses Jahres — also kurz vor dem geplanten Start des Abkommens im Januar 2013 — ihre Schwarzgelder aus der Schweiz in Drittstaaten transferiert hätten ("Abschleicher"), den deutschen Behörden nachträglich gemeldet werden.

Das war eine zentrale Forderung der SPD. Eine Zusage der Schweiz hatte die Bundesregierung den SPD-Ländern schriftlich gegeben. Doch die SPD hielt das Angebot offenbar für unglaubwürdig. "Das Papier hat weder einen Absender noch irgendeine Autorisierung. Dazu hat es eine Gemeinsamkeit mit dem Steuerabkommen selbst: Es steckt voller Schlupflöcher", kritisierte NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans gestern.

Es blieb also beim Nein. Auch das Angebot der schwarz-gelben Koalition, die gesamten Einnahmen aus der pauschalen Nachbesteuerung den Ländern zu überlassen, überzeugte offenbar nicht. Die Schweiz hatte Deutschland eine Sofortzahlung von 1,8 Milliarden Euro garantiert, sobald das Abkommen in Deutschland ratifiziert werde. Auf den Bundesanteil von 554 Millionen Euro wollte der Bund verzichten. Allein NRW hätte somit 420 Millionen Euro erhalten. Mindestens.

Experten rechnen damit, dass die tatsächlichen Einnahmen durch die Pauschalbesteuerung bei etwa fünf Milliarden Euro liegen würden. Der den Ländern überlassene Bundesanteil wäre am Ende also entsprechend höher ausgefallen.

Doch die SPD-Front hielt. Vor allem NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hatte ihre Parteifreunde auf eine harte Haltung eingeschworen. Eine Zustimmung zum Steuerabkommen galt als tabu. "Das kann ich den ehrlichen Steuerzahlern nicht erklären und auch nicht zumuten", hatte Kraft noch unmittelbar vor der Sitzung des Vermittlungsausschusses erklärt. Auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hatte beim Parteitag das Veto der SPD deutlich gemacht. Ein Erfolg der Bundesregierung bei dem Thema galt als unwahrscheinlich.

Nun will Schwarz-Gelb in Eigenregie einige Gesetze umsetzen, um sich nicht dem Vorwurf der politischen Handlungsunfähigkeit auszusetzen. Merkels Trick: Die Koalition bringt eben nur noch Gesetze ein, die die Länder unmöglich ablehnen können. Umarmungsstrategie würde man das in der internationalen Politik nennen. So sollen die Länder die versprochenen 2,5 Milliarden Euro aus der Föderalismusreform wenigstens für das Jahr 2014 bekommen. Ein einfaches Gesetz reicht. So wollen Merkel & Co. auch verhindern, dass die Länder im Wahlkampf eine Entschuldigung für ihre leeren Kassen finden.

Auch die Millionenhilfe für den Kita-Ausbau soll in einem separaten Gesetz verabschiedet und zügig ausgezahlt werden. Da die Länder finanziell profitieren, gilt eine Zustimmung des Bundesrats als sicher. Die Sorge im Kanzleramt ist groß, dass kurz vor den Bundestagswahlen die fehlenden Kita-Plätze zum Problem werden. Immerhin war es Angela Merkel, die den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz eingeführt hatte. Bilder von protestierenden Eltern würden auch der Kanzlerin schaden. Egal, wer wirklich verantwortlich ist.

(brö)
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