Düsseldorf Bilder mit Nebenwirkung

Düsseldorf · Spontaneität kann in der Politik schnell nach hinten losgehen. Diese Erfahrung macht derzeit NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann.

Für ihren kleinen Parteitag in Mülheim hatten sich die Grünen in NRW etwas Besonderes ausgedacht: Bei einer Foto-Aktion durften die Delegierten anlässlich des Weltfrauentags spontan und pantomimisch Fragen beantworten. Ganz ohne Worte. Auch NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann machte mit und versuchte sich mit einer optischen Antwort auf die Frage "Wie sieht für dich Gleichberechtigung aus?". Ihre Motivwahl geriet allerdings mehr oder minder rätselhaft: Auf dem Foto ist zu sehen, wie Löhrmann sich mit geschlossenen Augen selbst umarmt.

Die Resonanz im Internet fiel anders aus als erwartet. Unter dem Eintrag bei Facebook sammelten sich schnell Kommentare, deren Tenor zwischen Ratlosigkeit, Fremdscham und Pöbelei lag. "Was will uns die NRW-Schulministerin damit sagen?" twitterte CDU-Landeschef Armin Laschet. "Gleichberechtigung fühlt sich gut an! Mensch, da hätten Sie eigentlich selbst draufkommen können", antwortete Löhrmann.

Dass ein verunglücktes "Posing" verheerende politische Wirkungen haben kann, wissen Kommunikationsforscher in Deutschland spätestens seit der Vereidigung von Friedrich Ebert zum Reichspräsidenten im August 1919: Der SPD-Politiker und Reichswehrminister Gustav Noske zierten zu diesem Anlass die Titelseiten verschiedener Zeitungen - halbnackt in schlabbrigen Badehosen in der Ostsee stehend. Damals galt die Hose statt des Anzuges noch als "unzüchtig", und das Bild diente den Gegnern der Weimarer Republik zur Verunglimpfung des gesamten Systems.

Ganz bewusst ging 69 Jahre später der damalige Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) vor Fotografen baden. Vielleicht hatte er die Ebert-Bilder vor Augen, als er sich für einen Taucheranzug entschied und auch im sportlichen Kraul-Stil durch die Fluten schnitt. Seine politische Botschaft: Seht her, die Umwelt ist wieder so in Ordnung, dass man sogar schon wieder im Rhein schwimmen kann. Für viele blieben diese Bilder trotzdem gewöhnungsbedürftig.

Dagegen gerieten die Planschbilder von Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) 2001 völlig daneben. Für die "Bunte" hatte sich der stets als hölzern beschriebene Politiker offenbar ein deutlich lockereres Image voller menschlicher Nähe zulegen wollen, als er sich auf Mallorca mit Freundin Kristina Gräfin Pilati bei Wasserspielchen fotografieren ließ. Sein Pech: Als die Story erschien, bereitete sich die Bundeswehr-Truppe gerade auf einen gefährlichen Balkan-Einsatz vor. Sein "Glück": Als die Wogen über die Peinlichkeit hochkochten, ereigneten sich die verheerenden Anschläge in den USA. So blieb er im Amt und musste erst im folgenden Jahr gehen.

Als grenzwertig empfanden viele die Selbstinszenierungen von Karl-Theodor zu Guttenberg: Seine "Was-kostet-die-Welt-ich-hab-es-geschafft"-Attitüde als weltbereisender Wirtschaftsminister auf dem Times Square in New York war nur ein Vorgeschmack auf die martialischen Bildikonen im Stil eines "Top-Gun"-Piloten als zum Kampf entschlossener Verteidigungsminister.

Forsche Wahlkampfideen kleben wie Kletten an Politikern, wenn sie wieder ins Seriöse wechseln wollen. So ging es dem FDP-Spitzenpolitiker Guido Westerwelle nach seinen Auftritten mit dem Spaßmobil oder mit der grell leuchtenden "18" als grandios verfehltem Wahlziel unter dem Schuh. Und so ging es auch der ostdeutschen CDU-Politikerin Vera Lengsfeld, als sie für ein Wahlplakat das Dekolleté der Bundeskanzlerin bei einem Opernbesuch kombinierte mit einem Bild von sich selbst und damit den Spruch verband: "Wir haben mehr zu bieten".

Auf ein geteiltes Echo stieß im jüngsten Hamburger Bürgerschaftswahlkampf das Fotoshooting von FDP-Spitzenkandidatin Katja Suding mit ihrer Bremer Kollegin Lencke Steiner und Generalsekretärin Nicola Beer im Stil der "Drei Engel für Charlie" als "Drei Engel für Lindner".

Heftig zu schaffen machten Inszenierungen zwei Schwergewichten der Sozialdemokratie. Als Kanzlerkandidat wurde Peer Steinbrück gebeten, in einer Geste auszudrücken, was er von Spitznamen wie "Pannen-Peer" oder "Problem-Peer" halte. Er entschied sich dafür, dem Publikum den Stinkefinger zu zeigen. Bundeskanzler Gerhard Schröder gefielen die Bilder im Brioni-Anzug und mit Cohiba-Zigarre auch nur so lange, wie er damit unterstreichen konnte, dass es einer aus der Schicht der kleinen Leute nach oben geschafft hatte.

Eine, die aus alldem viel gelernt hat, ist Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Sie achtet darauf, dass es von ihr keine Bilder gibt, die sie etwa bei der Nahbeobachtung von Militärdrohnen zeigen. Allerdings klingt ihr Dementi, Nachfolgerin von Kanzlerin Angela Merkel werden zu wollen, optisch weniger überzeugend, seit sie sich angewöhnt hat, bei öffentlichen Auftritten die Finger zur Raute zur formen, zur berühmten "Merkel-Raute".

(may-)
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