Michael Grosse-Brömer im Interview "Betreuungsgeld ist kleine Aufmerksamkeit"

Nach dem Wechsel von Peter Altmaier an die Spitze des Umweltministeriums ist der niedersächsische CDU-Politiker Michael Grosse-Brömer neuer Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion und damit ins Zentrum der Macht aufgerückt. Unsere Redaktion sprach mit ihm über das Betreuungsgeld als seine erste Bewährungsprobe, über die Zukunft der Finanztransaktionssteuer und Strafzahlungen für die fehlende Vorratsdatenspeicherung.

 Michael Grosse-Brömer ist aufgerückt ins Zentrum der Macht.

Michael Grosse-Brömer ist aufgerückt ins Zentrum der Macht.

Foto: dpa, Soeren Stache

Das Betreuungsgeld kommt jetzt in den Bundestag. Wird nachgebessert?

Grosse-Brömer Wir werden jetzt erst einmal in der Fraktion darüber reden. Der Entwurf ist gut durchdacht. Nicht alles, was ins Parlament kommt, muss verändert werden.

CSU-Vize Barbara Stamm regt an, das Betreuungsgeld auch Hartz-IV-Beziehern zu geben, dann hätte es die Union in der öffentlichen Debatte leichter.

Grosse-Brömer Ich meine das nicht. Alle Transferleistungen finden Anrechnung auf Hartz IV. Wir sollten mit Ausnahmen nicht anfangen, sonst gerät das gesamte System aus den Fugen. Hartz IV ist als Unterstützung für die Zeit gedacht, in der man eine neue Arbeit sucht. Es geht nicht darum, weitere Leistungen drauf zu packen.

Wie überzeugen Sie die Betreuungsgeld-Gegner in der Unionsfraktion?

Grosse-Brömer Die Kollegen haben teils unterschiedliche Ansätze. Für einige ist es auch ein emotionales Thema. Wir werden in der Fraktion darüber nachdenken, wie die beste Lösung aussieht. Und dann wünsche ich mir, dass wir am Ende alle gemeinsam zu dem Ergebnis stehen.

Seit 2009 schieben Sie das Vorhaben vor sich her, und jetzt wollen Sie es binnen weniger Wochen durchpeitschen. Ist das vernünftig?

Grosse Brömer Ich halte das für klug. Gerade weil wir schon so lange darüber diskutieren, sollten wir doch jetzt endlich mal entscheiden.

Ist das Betreuungsgeld moderne CDU-Familienpolitik?

Grosse-Brömer Es ist Teil unseres Vorhabens, die Gesellschaft kinderfreundlicher zu machen. Ich habe nie eingesehen, warum die Betreuung in Krippen die einzig wahre sein soll. Zur modernen Familienpolitik gehört die Wahlfreiheit: Deshalb gibt es sowohl die öffentlich finanzierte Kinderbetreuung und demnächst eine kleine Aufmerksamkeit auch für diejenigen, die sich entscheiden, ihre Kinder in den ersten drei Jahren zu Hause zu erziehen.

Kann die SPD das Betreuungsgeld im Bundesrat noch stoppen?

Grosse-Brömer Das Gesetz ist so formuliert, dass der Bundesrat nicht zustimmen muss.

Sie haben sich mit der Opposition auf die Finanztransaktionssteuer verständigt — als Lippenbekenntnis Richtung Europa? Oder wollen Sie die wirklich?

Grosse-Brömer Wir brauchen sie. Das sagen wir schon lange. Es lässt sich nicht erklären, dass jeder Handwerker für seine Leistung Umsatzsteuer zahlen muss und diese Hochgeschwindigkeitshändler auf den Finanzmärkten nicht. Wir müssen allerdings sehr genau hinsehen, denn Alleingänge können negative Folgen für Deutschland haben.

Wie wollen Sie die verhindern?

Grosse-Brömer Wir haben uns immer für eine wirkungsvolle Besteuerung der Finanzmärkte eingesetzt — in der gesamten EU oder zumindest in der Euro-Zone. Die wichtigen europäischen Finanzplätze müssen einbezogen sein. Sonst entfaltet die Steuer keine Wirkung, sondern nur Nachteile für die beteiligten Staaten. Es kommt also darauf an, wer mitmacht. Mit der Opposition ist jetzt eine Zahl von mindestens neun Staaten im Gespräch. Dabei werden wir uns als Union wie bisher dafür einsetzen, möglichst viele Staaten für eine spürbare Finanzmarktbesteuerung zu gewinnen.

Können jetzt Stabilitätsmechanismus und Fiskalpakt noch vor der Sommerpause mit der Opposition beschlossen werden?

Grosse-Brömer Davon bin ich überzeugt. Die Opposition hat nach einigem Hin und Her gezeigt, dass sie sich ihrer staatstragenden Verpflichtung bewusst ist. Wir kommen in Europa nur voran, wenn wir bei aller Solidarität auch zügig den Schuldenstopp beschließen, denn viele Staaten schauen darauf, was Deutschland macht.

Kommen Sie auch beim Schuldentilgungsfonds der Opposition entgegen?

Grosse-Brömer Auch hier gilt: Wir dürfen nicht den zweiten Schritt vorm ersten machen. Eine Vergemeinschaftung von Schulden kommt für uns insofern nicht in Betracht. Ich habe zudem große Zweifel, ob dieses Vorhaben verfassungsgemäß und europarechtskonform ist.

Bringt der Euro die Urlaubspläne des Bundestages durcheinander?

Grosse-Brömer Wir wissen doch, dass die Krise des Euro nicht vorbei ist. Ich setze aber darauf, dass sich die Finanzmärkte beruhigen und wir keine Sondersitzungen brauchen. Umso mehr gilt: Wir müssen den Fiskalpakt zügig umsetzen. Dann brauchen wir in künftigen Sommerpausen solche Überlegungen auch nicht mehr.

Bei den Vorratsdaten kommen Innenminister und Justizministerin nicht zusammen. Sollten sich die Koalitionsfraktionen zusammen raufen - zumal nun eine Strafzahlung von 315.000 Euro pro Tag droht?

Grosse-Brömer Zunächst: Diese Zahlung ist erst fällig, wenn der Europäische Gerichtshof auch so entschieden hat. Jetzt gilt es, eine vernünftige Regelung zu finden - notfalls auch im Kompromisswege. Wir brauchen ein effizientes Werkzeug zur Terrorismus- und Kriminalitätsbekämpfung. Die Vorgaben aus Europa und vom Verfassungsgericht dafür sind klar. Die Ministerien werden insofern sicherlich in der Lage sein, Lösungen zu finden und Strafzahlungen zu vermeiden.

Was können Sie tun, um das Bild dieser Regierungskoalition zu verbessern?

Grosse-Brömer Ich bin gerne bereit, darüber nachzudenken, was wir vielleicht falsch gemacht haben. Aber wenn ich die Linke sehe, die sich gerade auflöst, wenn ich die Grünen sehe, deren Umfragewerte sich halbiert haben, und wenn ich die SPD sehe, die nicht so recht weiß, mit wem an der Spitze sie marschieren soll, dann ängstigt mich die Situation nicht. Wir müssen die guten Ergebnisse dieser Regierung noch deutlicher machen. Deutschland steht im internationalen Vergleich sehr gut da. Damit können wir sehr zufrieden sein.

Sie sind Niedersachse — aber in Oberhausen geboren. Wie viel Ruhrpott steckt noch in Ihnen?

Grosse-Brömer Ich war neulich nach 30 Jahren mal wieder in Kirchhellen, wo ich aufgewachsen bin. Ältere Menschen haben mich auf meiner alten Straße direkt wiedererkannt. Da habe ich gemerkt: Wenn Du im Ruhrpott geboren bist, vergessen Dich die Leute nicht — das ist ein gutes Gefühl.

Wer aus dem Ruhrpott kommt, gilt als direkt, schroff, aber herzlich…

Grosse-Brömer … und hat damit die idealen Voraussetzungen, in Niedersachsen akzeptiert zu werden.

(csi)
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