Washington Besorgnis über Amerikas ahnungslose Botschafter

Washington · Von Hollywood nach Budapest – Colleen Bell hat Seifenopern produziert, nun wird sie Botschafterin in Ungarn. In den USA werden diplomatische Posten in lebenswerten Städten immer öfter an Großspender vergeben, was zur Folge hat, dass die Kandidaten immer weniger über ihre Gastländer wissen.

Welche strategischen Interessen die USA in Ungarn haben? "Also, wir haben unsere strategischen Interessen", sagt Colleen Bell, "und was unsere Schlüsselprioritäten in Ungarn angeht, ich denke, unsere Schlüsselprioritäten sind die Sicherheitsbeziehung, die Strafverfolgung und dass wir den Handel fördern". "Großartige Antwort", spottet John McCain, der Senatsveteran mit einem Hang zum Sarkastischen, der mitzuentscheiden hat, ob sich Colleen Bell eignet für den Botschafterposten in Budapest.

Zuvor hatte er die Kandidatin gefragt, ob sie glaube, dass es gut sei, Amerikas Verhältnis zu einem Ungarn, in dem sich antisemitische Ausschreitungen häufen. Bell hatte sich überaus korrekt für "diese sehr wichtige Frage" bedankt, kurz auf einen Spickzettel geschaut und es bei Allgemeinplätzen belassen.

Dass sie ihr Land an der Donau vertreten soll, hat allein mit ihrem Geschick beim Rühren der Spendentrommel zu tun. Bell sammelte 2,1 Millionen Dollar fürs Wahlkampfkonto Barack Obamas, wofür sie nun ihre Belohnung kassiert, ein paar Jahre auf Staatskosten in einer lebenswerten europäischen Stadt.

Die Botschafter, das Geld und die Inkompetenz, es ist eine alte Geschichte. Obama ist keineswegs der erste Präsident, der sich des diplomatischen Karussells bedient, um sich bei großzügigen Gönnern zu revanchieren. Was in den 60er Jahren als Ausnahme begann, ist längst zur Regel geworden. Doch mit Obamas zweiter Amtszeit hat die Praxis Dimensionen erreicht, die Leute vom Fach Alarm schlagen lässt: Die USA, protestiert James Bruno, ein Ex-Diplomat, seien die einzige westliche Macht, die es "in diesem Punkt mit einer Bananenrepublik aufnehmen kann".

George Tsunis, ein Hotelmagnat, der nach Oslo gehen soll, blamierte sich, indem er vom Präsidenten Norwegens sprach, offenbar nicht wissend, dass es dort einen König als Staatsoberhaupt gibt. War es unter Bill Clinton oder George W. Bush Usus, jeden dritten Botschafter aus dem Kreis der Nicht-Berufsdiplomaten zu wählen, so ist es mittlerweile jeder zweite.

Welche Vorteile das bisweilen bietet, abgesehen vom frischen Blick des Seiteneinsteigers, illustriert das Beispiel Caroline Kennedys. Als die Tochter John F. Kennedys nach Tokio entsandt wurde, waren ihre Japan-Kenntnisse gering. Aber es war klar, sie hat das Ohr des Präsidenten, was im Zweifelsfall wichtiger ist als enzyklopädisches Wissen. Sie kann jederzeit zum Hörer greifen, um direkt im Oval Office anzurufen.

(RP)
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