Beschenkte Ärzte

Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Ärzte, die Geld von Pharmafirmen annehmen, machen sich nicht strafbar. Ärzte-Verbände begrüßen das Urteil, Experten fürchten einen Freibrief für Bestechung.

Karlsruhe Es waren verlockende Angebote, die die Pharmafirma Trommsdorff einigen Ärzten gemacht haben soll: Für eine gewisse Anzahl Patienten, denen die Mediziner das Blutdruck-Medikament der Firma verordneten, erhielten sie zum Dank wahlweise einen Flachbildfernseher, einen iPod oder einen Laptop. Ein lukratives Prämiengeschäft, das sich hinter dem Wort "Anwendungsbeobachtung" versteckt: Der niedergelassene Arzt verschreibt dem Patienten das neue Medikament eines bestimmten Unternehmens, dokumentiert die Wirkung und erhält dafür eine Aufwandsentschädigung. Wie hoch diese ausfallen darf, ist nicht geregelt.

Solche Klüngeleien zwischen Ärzten und Pharmaunternehmen sind in den vergangenen Jahren immer wieder aufgedeckt worden, moralisch verwerflich – und strafrechtlich nicht belangbar. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) gestern in einem Grundsatzurteil entschieden.

Eine Pharmareferentin hatte vor dem BGH Revision gegen ein Urteil des Landgerichts Hamburg eingelegt, das gegen sie ergangen war. Sie hatte Kassenärzten für die Verschreibung von Produkten ihrer Pharmafirma Schecks in Gesamthöhe von 18 000 Euro zukommen lassen und war dafür wegen Bestechung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Die Mediziner hatten für die Anwendungsbeobachtung jeweils fünf Prozent vom Verkaufserlös des Medikaments als Bonus erhalten.

Das Urteil des BGH konnte den Streit um die eigentliche Frage nicht lösen: Können Ärzte juristisch belangt werden, wenn sie Geschenke von Pharmafirmen annehmen, etwa weil sie bei der Verschreibung deren Medikamente denen anderer Hersteller vorziehen?

Die Erklärung der Richter ist immerhin als Wink in Richtung Gesetzgeber zu verstehen: Dieser müsse entscheiden, ob Korruption im Gesundheitswesen strafwürdig ist, und entsprechende Straftatbestände schaffen. Dreh- und Angelpunkt der Diskussion ist der Bestechungsparagraf 299 des Strafgesetzbuches, der genau festlegt, wer für Korruption zur Verantwortung gezogen werden kann. Ethisch gesehen wohl jeder – strafrechtlich gesehen aber nur "Angestellte oder Beauftragte eines geschäftlichen Betriebs" – also auch Mediziner, die im Krankenhaus arbeiten. Niedergelassene Ärzte aber stuft das BGH als Freiberufler ein; sie fallen deshalb aus dem Raster. Das Gleiche gilt für Mitarbeiter von Pharmaunternehmen.

Die Entscheidung stößt auf geteilte Meinungen. Die Bundesärztekammer (BÄK) begrüßt das Urteil ausdrücklich: "Der freiberuflich tätige Kassenarzt ist weder Angestellter noch Funktionsträger einer öffentlichen Behörde", sagte BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery. Jeder Patient wähle seinen Arzt selbst aus, die Beziehung basiere auf Vertrauen. Ähnlich sieht es die Ärztekammer Nordrhein. Die Freiberuflichkeit von Ärzten sei ein wichtiges Gut. "Sie bedeutet, dass er frei über eine passende Therapie für seinen Patienten entscheiden kann und nicht als Erfüllungsgehilfe einer Krankenkasse wirken muss", sagt ein Sprecher. "Die Ärzteschaft unter Generalverdacht zu stellen, halte ich für falsch." Im Berufsrecht sei es geregelt, dass Ärzte keine Geschenke annehmen dürften, die ihre unabhängige Entscheidung beeinflussen.

Der Politik geht das nicht weit genug. Die Bundestagsfraktion der SPD hatte in einem Antrag zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen unlängst vorgeschlagen, im Strafgesetzbuch den Straftatbestand der Korruption auch auf niedergelassene Ärzte auszuweiten. Der Antrag lief bei der schwarz-gelben Koalition ins Leere, könnte aber wieder auf die Tagesordnung kommen. "Es gibt eine Regelungslücke", sagt SPD-Gesundheitsexperte Edgar Franke.

Christiane Woopen, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, sieht den Gesetzgeber nun in der Pflicht. "Er muss sich positionieren", sagt sie. Im Urteil werde klar, dass Ärzte unabhängig tätig seien. "Wenn Krankenkassen ihnen nicht vorschreiben können, welche Therapie sie für ihre Patienten anwenden, sollten Pharmaunternehmen auch keinen Einfluss ausüben können." Auch die von Pharmafirmen bezahlte Dokumentation der Wirkung neuer Medikamente sieht sie kritisch. Diese gehöre ausschließlich in den wissenschaftlichen Bereich. Immerhin: Für die jährlich etwa 300 Anwendungsbeobachtungen in deutschen Arztpraxen hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) schon vor einiger Zeit strengere Regeln gefordert. Dass der Aufwand für die Dokumentation honoriert werde, sei legitim und noch lange keine Bestechung. "Der Arzt hat damit ja eine Mehrarbeit, die vergütet werden sollte", sagt ein Sprecher. Allerdings fordere der Verband mehr Transparenz: So sollten Patienten wissen, dass ihr Arzt an den Projekten teilnimmt. "Und auch die Pharmafirmen müssten die Dokumentation und ihre Ergebnisse ganz offen darlegen."

Der Verband forschender Arzneimittelhersteller, der die Interessen von 45 Pharmafirmen in Deutschland vertritt, weist den Vorwurf exorbitanter Prämienzahlungen und Bestechungsversuche energisch zurück. Man habe 2004 einen Verhaltenskodex beschlossen und eine freiwillige Selbstkontrolle eingerichtet. So sei sichergestellt, dass Prämien für Ärzte die Entscheidung, welches Medikament und welche Therapie der Patient erhalte, nicht beeinflussen sollten. Handelt ein Unternehmen dagegen, könne dessen Name veröffentlicht werden, auch Geldstrafen sind möglich.

Doch wer kontrolliert für den Patienten, ob sein Arzt sich bestechen lässt? "Wir können nicht alle Ärzte durchleuchten", gibt der KBV-Sprecher zu. Am Ende müsse der Patient darauf vertrauen, dass der Arzt in seinem Sinne handele.

(RP)
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