Studie zur Bildungslandschaft Berufsschulen brauchen 60.000 Lehrer

Düsseldorf · Die Bertelsmann-Stiftung schlägt Alarm. Wegen einer Verrentungswelle müssten allein in diesem und den beiden kommenden Jahren je 4000 Lehrkräfte an den Berufskollegs neu eingestellt werden. Doch es fehlen die Absolventen.

 Klassenzimmer einer Berufsschule.

Klassenzimmer einer Berufsschule.

Foto: dpa/Bodo Schackow

Es sind 48 Seiten, die es in sich haben. 48 Seiten, die belegen, dass etwas gehörig schief läuft in der deutschen Bildungslandschaft. Und zwar so schief, dass es gravierende, wirtschaftliche Folgen haben könnte.

Vorgelegt hat das Dokument die Gütersloher Bertelsmann-Stiftung. Schon der Titel ist ein Alarmsignal: „Dringend gesucht: Berufsschullehrer“ heißt die Untersuchung des emeritierten Essener Bildungsforschers Klaus Klemm im Auftrag der Stiftung. Rund 2,5 Millionen Schüler sind derzeit an einer der vielen Berufsschulen des Landes. Sie lernen entweder an einem Fachgymnasium in Vollzeit oder bekommen zusätzlich zur Praxis im Betrieb in Teilzeit das theoretische Fundament. Dieses System gerät gerade gehörig ins Wanken, denn Klemms wichtigste Erkenntnis: Weil schon heute die Hälfte aller 125.000 Berufsschullehrer älter als 50 ist und sich damit bis 2030 in den Ruhestand verabschiedet, müssten allein bis 2020 pro Jahr 4000 neue Lehrer eingestellt werden. Dem gegenüber stehen allerdings nur 2000 Lehrkräfte, die pro Jahr aus den Unis ins Berufsleben entlassen werden. Zudem steigt seit 2015 die Geburtenrate wieder an. Und auch die Zuwanderung erhöht den Bedarf beträchtlich. Die ab 2015 geborenen Schüler werden nach 2035 in die Berufsschulen strömen und damit den Leherbedarf noch einmal hochschrauben. Ab dem Jahr 2031  müssten jährlich gar 6000 neue Lehrer eingestellt werden. Unterm Strich, so die Stiftung, beziffere sich der Lehrerbedarf bis 2030 auf 60.000 Lehrkräfte bundesweit.

Das nordrhein-westfälische Bildungsministerium verwies auf Anfrage auf sein am Schuljahresbeginn vorgestelltes Maßnahmenpaket, wonach der Seiteneinstieg erleichtert werde: „Auch Master-Absolventen von Fachhochschulen können sich jetzt als Lehrer am Berufskolleg bewerben“, hieß es im Ministerium.

Laut Studie sind inzwischen ein Drittel aller Lehrkräfte an den Berufsschulen Quereinsteiger. Mit Blick auf ihre wachsende Zahl forderte Bertelsmann-Stiftungs-Vorstand Jörg Dräger am Montag, diese künftig besser zu qualifizieren und bundesweit einheitliche Standards zu schaffen.

Die Landesregierung will außerdem mit einer breit angelegten Werbe- und Informationskampagne dazu beitragen, den Bedarf an Lehrkräften langfristig zu decken. „Die Kampagne ist gezielt auch auf die Beseitigung des Lehrermangels an Berufskollegs ausgerichtet.“

Nach der jüngsten Lehrerbedarfsprognose des Schulministeriums vom April dieses Jahres fehlen an den Berufskollegs in NRW in den nächsten zehn Jahren bis zu 3000 klassisch ausgebildete Lehrkräfte. „Zur Lehrkräftesicherung an den Berufskollegs wird die Landesregierung im Rahmen einer Gesamtstrategie zur Stärkung der Beruflichen Bildung zu Beginn des neuen Jahres ein gesondertes Maßnahmenpaket vorlegen“, erklärte das Ministerium am Montag.

Da der Berufsschullehrermangel in einigen Jahren erst den Höhepunkt erreiche, könne jetzt noch gegengesteuert werden, erklärte die Stiftung bei der Vorstellung der Studie. Die Zahl der Studienplätze müsse dafür deutlich erhöht werden. Zudem sollten die rund 30 Prozent gegenwärtig in Teilzeit arbeitenden Kräfte zu einer Aufstockung ihrer Stundenzahl bewegt werden. Auch sollten ältere Kollegen dazu angeregt werden, ihre Pension um ein paar Jahre in die Zukunft zu verschieben.

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