Washington Bengasi-Desaster: Clinton übernimmt Verantwortung

Washington · Nachdem eine aufgebrachte Menge in Libyen den US-Botschafter getötet hat, äußert sich die Chefdiplomatin im Senat.

"Ich übernehme die Verantwortung", sagt Hillary Clinton. Wie niemand sonst sei sie entschlossen, aus der Terrorattacke von Bengasi die richtigen Lehren zu ziehen. "Für mich ist es nicht nur eine Frage der Politik, es ist eine persönliche Sache", fügt sie hinzu und schildert den Tag, als sie neben Präsident Barack Obama auf der Rollbahn der Luftwaffenbasis Andrews stand, als vier flaggengeschmückte Särge aus einem Flugzeug getragen wurden und sie die Angehörigen der Toten tröstend in den Arm nahm.

Es ist einer der letzten Auftritte, den Clinton als Außenministerin absolviert, bevor ihr Parteifreund John Kerry das Amt übernimmt. Von einer Gehirnerschütterung genesen, sagt sie vorm Senatsausschuss für Auswärtiges aus, um eine Art Schlussstrich unter ein Kapitel zu ziehen, über das Demokraten und Republikaner seit vier Monaten hochemotional streiten. Sie soll erklären, warum das US-Konsulat in Bengasi ausgerechnet am 11. September so schlecht bewacht war, dass radikal-islamische Angreifer leichtes Spiel hatten. In der ostlibyschen Stadt kamen damals vier Amerikaner ums Leben: der Botschafter Chris Stevens, ein Computerspezialist und zwei Bodyguards. Im Wahlkampf machte Mitt Romney Bengasi zu einem Exempel, um zu illustrieren, was er als Schlendrian und Schönfärberei in den Reihen der Regierung Obama anprangerte. Wegen des Furors um Bengasi stieß Amerikas UN-Botschafterin Susan Rice auf geballten republikanischen Widerstand, so dass Obama wohl oder übel darauf verzichtete, sie als Außenministerin zu nominieren. Rice hatte Stevens' Tod noch fünf Tage danach mit spontanem Volkszorn erklärt, provoziert durch ein Video, das den Propheten Mohammed verspottete.

Die Bengasi-Debatte war auch eine Generalprobe für 2016: Clinton gegenüber sitzt Marco Rubio, einer der Hoffnungsträger der Konservativen fürs Rennen ums Oval Office. Der junge Senator kann reden, hat Charisma, als Sohn kubanischer Einwanderer soll er bei den Latinos punkten. Mit harten Fragen prüft er die Reaktionsschnelligkeit der früheren First Lady, die gleichfalls als Anwärterin für das Duell 2016 gilt. Was Washington vor dem Angriff in Bengasi getan habe, um den libyschen Behörden beim Schutz diplomatischer Missionen zu helfen, will er wissen. Warum Clinton nicht rechtzeitig erfahren habe, dass subalterne Beamte eine Aufstockung des Wachpersonals in Libyen ablehnten?

Clinton wiederholt das Fazit einer von ihr ernannten Kommission, die bereits im Dezember krasses Management-Versagen in ihrem Apparat gerügt hatte. Als Ron Johnson, ein der Tea Party nahestehender Senator aus Wisconsin, die Informationspolitik des Kabinetts scharf kritisiert, wird sie zornig. "Bei allem Respekt, Tatsache ist, wir hatten vier tote Amerikaner. War es wegen spontaner Proteste? Oder weil einige Burschen eines Abends spazieren gingen und beschlossen, ein paar Amerikaner zu töten? Was macht das für einen Unterschied?" Doch sie begnügt sich nicht mit dem Bedauern bürokratischer Fehler, mit dem Verweis auf Tausende diplomatische Depeschen, die sie unmöglich alle lesen könne. Vielmehr hält sie ein flammendes Plädoyer gegen die Nabelschau, gegen isolationistisches Denken: "Wir können uns nicht leisten, den Rückzug anzutreten. Wenn Amerika abwesend ist, besonders in instabilen Gegenden, dann hat das Folgen. Der Extremismus schlägt Wurzeln, und unsere Sicherheit zu Haus ist bedroht."

(RP)
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