Düsseldorf Bei Ehe und Familie bleibt Deutschland gespalten

Düsseldorf · Die CDU-nahe Adenauer-Stiftung ließ 5000 Deutsche zwischen 20 und 39 befragen. 42 Prozent der Ostdeutschen halten die Ehe für überholt.

Marcus Weinberg aus Hamburg ist 47 Jahre alt und Lehrer. Er ist ledig, lebt in einer festen Partnerschaft und hat einen Sohn. Weinberg ist auch familienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die Studie "Familienleitbilder in Deutschland" der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung dürfte ihn kaum verstören. Denn das hergebrachte Familienbild miteinander verheirateter Eltern gehört zwar für 100 Prozent der Befragten "zur grundsätzlichen Vorstellung von Familie". Aber auch dies weist die Untersuchung aus: Das unverheiratete Paar mit Kind beziehungsweise Kindern wird von 97 Prozent als Familie akzeptiert. Gleichgeschlechtliche Paare mit eigenen Kindern werden zu 88 Prozent sogar häufiger als Familie definiert als Patchworkfamilien (85) und alleinerziehende Mütter (82).

Die Adenauer-Stiftung hatte eine Befragung durch das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung veranlasst. Es befragte 5000 jüngere Menschen zwischen 20 und 39 Jahren. Dabei kamen 25 Jahre nach dem Mauerfall teilweise große Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschen zum Vorschein. In der Studie ist von einem tiefen kulturellen Graben mit weiterhin sehr traditionellen Familienauffassungen im Westen die Rede: Dort bevorzugen 21 Prozent das klassische Bild vom Vater als dem Ernährer der Familie; im Osten denken nur neun Prozent so. Im Westen halten 31 Prozent, im Osten hingegen 42 Prozent der 20- bis 39-Jährigen die Ehe für eine überholte Einrichtung.

Fast gleich wird in Ost (knapp über 80 Prozent) und West (knapp unter 80 Prozent) die "wichtige" beziehungsweise "ziemlich wichtige" Bedeutung von Kindern für eine gute Ehe eingeschätzt. Der Behauptung, dass ein Kleinkind darunter leidet, wenn seine Mutter berufstätig ist, stimmen etwa 60 Prozent der Westdeutschen, jedoch lediglich rund 35 Prozent der Ostdeutschen zu. Interessant ist in dem Zusammenhang ein Blick ins EU-Ausland: In Dänemark stimmen der Behauptung fünf, in Italien dagegen mehr als 70 Prozent zu.

Die Forscher der Adenauer-Stiftung stellen der Familienpolitik kein gutes Zeugnis aus: So profitiere zwar ein kinderloses Ehepaar vom steuerlichen Splitting, aber nicht die nichteheliche Stieffamilie. Es mangele am unbedingten Willen, die Arbeitswelt in Deutschland familienfreundlicher zu gestalten. Weitere Empfehlungen der Adenauer-Stiftung: keine Vorgabe von Familienleitbildern; kritische Relativierung von Vorstellungen bezüglich des "normalen" Familienlebens; mehr Vätermonate beim Elterngeld; flächendeckend Ganztagsschulen.

(RP)
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