Frauensache Becks Abschied macht die Politik noch weiblicher

Vom Geschlechtergehabe auf der politischen Bühne haben vor allem die Frauen profitiert: Sie, die emotional kompetenten, herzlichen Zuhörerinnen gegen die kalkulierten, gockelhaften Basta-Sager.

Das Patriarchat in Deutschland ist um einen Vertreter ärmer: Nach 18 Jahren an der Regierungsspitze hat Kurt Beck in Rheinland-Pfalz sein Amt niedergelegt. Seine Nachfolge tritt eine Frau an: Marie-Luise Dreyer, kurz Malu genannt, 51 Jahre alt, beliebt wie Hitzefrei und Freibier. Malu Dreyer ist die Fünfte im Club der Landesmütter, ihre Amtsübernahme ein weiterer Schritt zur Verweiblichung der politischen Macht.

Rheinland-Pfalz wird künftig das fraulichste Bundesland Deutschlands sein, denn dort sind nun beide Volksparteien, SPD und CDU, in weiblicher Hand. Voraussichtlich werden mit Malu Dreyer und Julia Klöckner erstmals zwei Frauen bei einer Landtagswahl um das Ministerpräsidentenamt kämpfen — und das könnte auch den Stil der politischen Auseinandersetzung verändern. Bisher lebte das Image weiblicher Spitzenpolitikerinnen immer auch von dem Kontrast zu ihren männlichen Kontrahenten. Das war zuletzt hier in Nordrhein-Westfalen im Duell Hannelore Kraft gegen Norbert Röttgen zu beobachten. Kraft, die mütterlich Zupackende, die mit Kindern Sandburgen baute und alte Männer herzte. Röttgen, der kühle Intellektuelle, der zwar Politik aus "den Augen unserer Kinder" versprach, aber sich auf dem Wahlplakat von dem kleinen Jungen an seiner Seite abwandte, um starr in die Kamera zu lächeln. Selbst mit einer Bratwurst fremdelte Norbert Röttgen. Noch nicht einmal herzhaft zubeißen könne er, konstatierte die Presse damals.

Von dem Geschlechtergehabe auf der politischen Bühne haben also vor allem die Frauen profitiert: Sie, die emotional kompetenten, herzlichen Zuhörerinnen gegen die kalkulierten, gockelhaften Basta-Sager. Die Machosprüche mancher Herren haben zu diesem Bild ihr Übriges getan. Helmut Kohl etwa ist Hertha Däubler-Gmelin (SPD) mit den Worten angegangen: "Wenn ich Sie betrachte, verstehe ich, dass Sie für die Gleichberechtigung der Männer eintreten." Ebenso daneben sind die Hahnenkämpfe untereinander: "Mit Verlaub, Sie sind ein Arschloch", "Der ist besoffen", "da krault er sich seine Eier" — das nur als kleine Kostprobe kerliger Zünftigkeit.

Nun also stehen sich in Rheinland-Pfalz zwei Frauen gegenüber. Sie haben die Chance zu zeigen, dass der weibliche Diskussionsstil tatsächlich weniger plump und eitel ist, sondern offener für Argumente und an Lösungen interessiert. Frauen seien pragmatischer als Männer, sagt Hannelore Kraft. Frauen seien "wirklich kommunikativer", sagt Malu Dreyer. Das kann sie jetzt unter Beweis stellen — von Frau zu Frau.

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(RP)
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