Washington/Kairo Obamas neuer Krieg in Syrien

Washington/Kairo · Im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" eröffnen die USA in Syrien eine neue Front. Fünf arabische Verbündete helfen. Luftanschläge sollen den Vormarsch der Extremisten stoppen.

Barack Obamas neuer Krieg in Syrien
Foto: dpa

Es war eine Attacke mit Ansage. Bereits vor zwei Wochen, als er seine Strategie im Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS) skizzierte, hatte Barack Obama klargemacht, dass die Air Force auch über Syrien Bomben abwerfen wird. Dass der Ankündigung nicht sofort Taten folgten, lag weniger an der Planung militärischer Details als an der politischen Botschaft, die der US-Präsident aussenden wollte. Um den Eindruck eines burschikosen Alleingangs zu vermeiden, legte er Wert darauf, eine Allianz mit arabischen Zweckverbündeten präsentieren zu können. Und das brauchte offenbar Zeit.

Gemeinsam mit fünf arabischen Verbündeten haben die USA den IS auch in Syrien angegriffen. In der Nacht zu gestern seien Stellungen der Miliz in mehreren Provinzen des Landes bombardiert worden, teilte das US-Militär mit. Dabei wurden nach Angaben von Menschenrechtlern 70 Extremisten und acht Zivilisten getötet. Im Irak fliegen die USA schon seit mehr als sechs Wochen Angriffe gegen den IS.

Als sich Obama gestern im Rosengarten des Weißen Hauses hinter ein Rednerpult stellte, um in knappen Sätzen den Sinn des Einsatzes zu erklären, drehte sich fast alles um die fünf Partnerstaaten: Bahrain, Jordanien, Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate hätten sich an den Angriffen beteiligt: "Die Stärke dieser Koalition bedeutet, dies ist nicht allein Amerikas Kampf." Worin genau die Aufgabe des arabischen Quintetts bestand, lassen sowohl der Staatschef als auch das Pentagon offen. Was zählt, ist allein das Symbol.

Mit Ausnahme Bahrains sind es Länder mit sunnitischen Mehrheiten, die nun mit Washington paktieren im Duell gegen eine Miliz, die sich gern zur Rächerin unterdrückter Sunniten stilisiert. Es zeigt, dass sich sunnitische Königshäuser wie in Riad oder Amman durch die IS-Terroristen inzwischen selbst bedroht sehen.

Im Diskurs Washingtons indes ist die zentrale Symbolik eine andere: Nach Jahren der Zurückhaltung bauen die USA ihre militärische Rolle im Nahen Osten wieder aus. Ein Präsident, der sich lange weigerte, in den syrischen Bürgerkrieg mit seinen mittlerweile 200 000 Toten einzugreifen, wirft das Ruder stärker herum, als viele es angenommen hatten. Es überrascht, wie flächendeckend Obama Ziele in Syrien attackieren ließ. 14 Schläge habe die Koalition gegen dortige IS-Stellungen geführt, mehr als 150 Präzisionsbomben fielen nach Angaben von Pentagonsprecher John Kirby. Zudem habe man westlich von Aleppo Trainingslager und Munitionsdepots von Al-Qaida-Veteranen angegriffen, die Anschläge im Westen geplant hätten. Zum Vergleich: Im Irak wurden in den sechs Wochen seit Beginn der Luftoffensive 190 Ziele ins Visier genommen.

Im Irak sind die Angriffe aus der Luft Teil einer breiter angelegten Strategie. Militärisch sollen sie den Boden bereiten für einen Vormarsch kurdischer Peschmerga und der irakischen Armee. Syrien dagegen steht für "ewiges Chaos", wie es der Nahostexperte Anthony Cordesman formuliert. Für eine Zwickmühle, in der Obama nun steckt.

In Syrien tobt seit Frühjahr 2011 ein blutiger Bürgerkrieg, der als Aufstand gegen das Regime des syrischen Staatspräsidenten Baschar al Assad begonnen hatte. Der IS beherrscht im Norden und Osten Syriens rund ein Drittel der Fläche des Landes. Zudem hat Israel seit mehr als 30 Jahren gestern einen syrischen Kampfjet abgeschossen. Das Flugzeug sei in den israelischen Luftraum eingedrungen und daraufhin mit einer Patriot-Rakete zerstört worden, sagte Armeesprecher Arye Shalicar. Der Pilot habe mit dem Fallschirm abspringen können.

Zu den theoretischen Grundsätzen des Oval Office gehört es, den Autokraten Assad resolut zum Rücktritt aufzufordern. Praktisch aber dürfte es Assad sein, der am ehesten von einer Schwächung der IS-Miliz profitiert. Die 5000 syrischen Oppositionskämpfer, die das Pentagon für den Guerillakrieg ausbilden will, reichen bei weitem nicht aus, um die Kräftebalance zu kippen. Und falls Amerikas Bomben tatsächlich dem Regime in Damaskus in die Hände spielen, dürfte die Allianz mit den sunnitischen Koalitionären nur von kurzer Dauer sein.

Noch dazu wiegt die Tatsache, dass sich muslimische arabische Staaten nun auch gegen den IS wenden, weitaus schwerer als eine Aktion des ohnehin bei vielen Muslimen verhassten Westens. Die Amerikaner und ihre westlichen Verbündeten allein würden in der Region nur noch mehr Hass auslösen, der seit dem letzten Irak-Krieg von 2003 ohnehin stetig gewachsen ist. "Okzident gegen Orient" war seitdem die Parole. Doch diese Legitimität ist jetzt verloren.

Die Allianz gegen den IS bringt nicht nur Okzident und Orient wieder näher zusammen. Sie vereint auch die arabischen Staaten selbst. Und das ist das eigentlich Bemerkenswerte daran. Denn die Revolutionen in einigen Ländern haben die ehemaligen Partner entzweit. So beteiligte sich etwa Katar an den Militäroperationen gegen Muammar al Gaddafi in Libyen und unterstützte mit viel Geld die Muslimbrüder in Ägypten.

Einzig in Syrien arbeitete man noch zusammen. Reiche Scheichs aus Saudi-Arabien, Katar und Kuwait gaben den Rebellen Geld zum Waffenkauf gegen Assad. Diese "Anschubfinanzierung" nutzte der IS, der fortan ein eigenes Ziel verfolgte: einen eigenen Staat. Dass die Golfstaaten hier als Brandbeschleuniger dienten, darf man ihnen zu Recht vorwerfen. Dass sie nun einen Flächenbrand befürchten, der nicht mehr nur auf Irak und Syrien beschränkt bleibt, sondern auch vor ihrer Tür nicht Halt machen könnte, hat sie zum militärischen Eingreifen bewogen.

Der gemeinsame Feind heißt ab jetzt nicht mehr Israel, sondern "Islamischer Staat".

(RP)
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