Washington Obama kämpft wieder

Washington · In seiner Rede zur Lage der Nation skizziert der US-Präsident ein Programm, das zwar im Parlament keine Chance auf Verwirklichung hat, aber seiner Ex-Rivalin Hillary Clinton den Weg ins Weiße Haus ebnen soll.

Am Ende seiner Rede ist Barack Obama wieder dort angekommen, wo einst sein Höhenflug begann. Da wiederholt er noch einmal seinen berühmten Satz, dass es weder ein liberales noch ein konservatives, weder ein schwarzes noch ein weißes Amerika gebe, sondern nur die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Zeile ließ ihn, 2004 auf dem Parteitag der Demokraten in Boston, buchstäblich über Nacht zum Hoffnungsträger werden. "Ich habe keinen Wahlkampf mehr zu führen", sagt der Präsident und versucht, ähnlich parteiübergreifend-souverän zu klingen wie damals als Newcomer, worauf die Republikaner im Saal feixend applaudieren. "Ich weiß das, schließlich habe ich beide gewonnen", kontert Obama, weicht von seinem Manuskript ab und lächelt wie ein Satiriker über eine gelungene Pointe.

Es ist ein selbstbewusster, nahezu selbstgerechter Ton, der seine vorletzte Rede zur Lage der Nation prägt. Eine trotzige Kampfansage an die Adresse der Konservativen, die nach ihrem Erdrutschsieg beim herbstlichen Kongressvotum nun auch die Mehrheit im Senat stellen. Erstmals hat Obama beide Kammern des Parlaments gegen sich, was seinen Spielraum weiter einengt. Doch hinterm Rednerpult wirkt er, als sei seinen Demokraten gerade ein glänzender Durchmarsch gelungen, als befände er sich im Zenit seiner Macht, als könnte er endlich Akzente setzen, nachdem er jahrelang nur Krisenmanager sein konnte. Auf die Republikaner nimmt er keine Rücksicht mehr.

Beflügelt von guten Wirtschaftsdaten verkündet Obama eine Zeitenwende: Das Tal der Rezession sei durchschritten, man könne eine neue Seite aufschlagen. "Der Schatten der Krise hat sich verzogen", deklamiert er und erklärt stolz, dass die USA seit 2010 mehr Menschen zurück in Arbeit brachten als Europa, Japan und alle entwickelten Volkswirtschaften zusammen. Den Schwung möchte er nutzen, um soziale Schieflagen zu korrigieren, die wachsende Wohlstandskluft zwischen den reichsten Amerikanern und dem großen Rest der Bevölkerung zu verringern. Spitzenverdiener will er höhere Kapitalertragssteuern zahlen lassen, dafür Mittelschichtenfamilien entlasten und Millionen seiner Landsleute gratis ein Community College besuchen lassen.

Nichts davon wird der Kongress in Gesetze gießen, dazu lehnt die republikanische Mehrheit viel zu resolut ab, was nach Umverteilung riecht. Um die Mühlen des Parlamentsbetriebs geht es Obama auch nicht, vielmehr versucht er, das Leitmotiv für den nächsten Wahlkampf zu formulieren - und seiner Ex-Rivalin Hillary Clinton den Weg ins Weiße Haus zu ebnen. Das letzte Mal, dass ein Präsident den Staffelstab nach acht Amtsjahren an einen Nachfolger aus der eigenen Partei überreichen konnte, war 1989 gewesen, als Ronald Reagan ging und George Bush kam. Ein Wechsel von Obama auf Clinton, es wäre Teil jenes Vermächtnisses, von dem die Spin-Doktoren der Regierung neuerdings ständig sprechen. Auf der einen Seite die "Mittelschichtenökonomie" der Demokraten, auf der anderen die Wall-Street-Nähe der Republikaner: Ungefähr so stellt sich Obama die Konturen des nächsten Duells vor. Die "Grand Old Party" quittiert es, indem sie über ihn spottet: Er sei ein Kaiser ohne Kleider.

Die Außenpolitik spielt in Obamas Rede die zweite Geige. Und auch in diesen Passagen zeichnet er die Welt in optimistischeren Farben, als es sonst seine Art ist. Den Kampf gegen die Terrormilizen des "Islamischen Staats" verkürzt er auf die Aussage, dass die USA eine breite Koalition anführen und Wert darauf legen, sich nicht noch einmal in einen nahöstlichen Bodenkrieg hineinziehen zu lassen. Die Attentate von Paris erwähnt er nur in einem Nebensatz. Als er den Konflikt mit Russland anspricht, zieht er fast triumphierend Bilanz. Es habe Leute gegeben, die Wladimir Putins Aggression als Meisterstück in Sachen Strategie und Stärke bezeichnet hätten. "Nun, heute steht Amerika fest und vereint mit seinen Verbündeten, während Russland isoliert ist und seine Wirtschaft in Trümmern liegt. Das ist die Art, wie Amerika führt - nicht mit Getöse, sondern mit beharrlicher Entschlossenheit."

(RP)
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