Ausnahmezustand in Thailands Hauptstadt 180.000 Demonstranten legen Bangkok lahm

Bangkok · Thailands Hauptstadt befindet sich im Ausnahmezustand. In den Provinzen formieren sich die Anhänger der Regierung.

Bangkok: 180.000 Demonstranten legen Bangkok lahm
Foto: ap, John Minchillo

Die scheinbar entspannte Atmosphäre bei den Massendemonstrationen in Bangkok täuscht: Ein Funke könnte die Volksfest-Stimmung zur Katastrophe wenden. Beobachter befürchteten gestern sogar den Ausbruch eines Bürgerkriegs. Mit lautstarkem Protest hatten bis zu 180 000 Regierungsgegner die thailändische Hauptstadt in Teilen lahmgelegt.

Sie besetzten Verkehrsknotenpunkte und marschierten in Großformationen über wichtige Einfall-straßen, so dass es im Geschäftsviertel kein Durchkommen mehr gab. Befürchtete Zusammenstöße mit Anhängern der Regierung blieben indes zunächst aus. Die mehr als 19 000 Polizisten und Soldaten hielten sich im Hintergrund.

Protestanführer Suthep Thaugsuban lief gestern zu Hochform auf: Das steife Rednerpult ist weg, er hält das Mikrofon in der Hand und nimmt vor Tausenden Anhängern mit dynamischen Schritten die ganze Bühne ein. Der untersetzte Mittsechziger reißt die Faust hoch, boxt Löcher in die Luft. Er starrt theatralisch in den Himmel, dann beugt er sich demütig zu den Anhängern hinab. Sie liegen ihm zu Füßen.

Und dann die Stimme: am Anfang leise, wie einer, der jetzt einmal ruhig erklären will, was im Argen liegt. Dann wird er lauter, legt eine Kunstpause ein — und schließlich das geschmetterte Finale: "Hau ab, Yingluck!", brüllt Suthep Thaugsuban an die Adresse der Regierungschefin, seine Stimme überschlägt sich. Die Menge grölt — ein Lehrstück in Demagogie. Für die Demonstranten gibt es an diesem Tag nur eins: den Sieg. "Wir gehen erst nach Hause, wenn wir gewonnen haben", sagt ein 23-jähriger Student.

Yingluck Shinawatra lud die Protestbewegung "Demokratisches Reformkomitee des Volkes" zu Gesprächen über eine Verschiebung der für den 2. Februar geplanten Wahlen ein — eine ihrer Forderungen. Doch Thaugsuban blieb kompromisslos. "Keine Gespräche", schwor er vor Zehntausenden Anhängern. Er will nicht nur die Wahlen verhindern, sondern besteht darauf, dass die Regierung abtritt und der Shinawatra-Clan aus der Politik verschwindet. Er appellierte an seine Anhänger, so lange in Bangkok zu bleiben, bis die Forderungen erfüllt sind: "Das kann Wochen dauern oder Monate."

Sein Widersacher, der 2006 gestürzte Regierungschef Thaksin Shinawatra, lenkt die Regierungspartei Pheu Thai unter Führung seiner Schwester Yingluck aus dem Exil. Er lehnt den von Suthep Thaugsuban verlangten Rückzug seiner Familie aus der Politik ab.

Die Opposition wirft der Regierung Korruption und Plünderung der Staatsfinanzen vor. Sie verlangt grundlegende politische Reformen, die verhindern sollen, dass populistische Bewegungen wie die der Shinawatras die Politik dominieren können. Der Clan hat seit 2001 alle Wahlen gewonnen. Diese Reformen soll ein ernannter Rat aus Experten umsetzen, der bis zu zwei Jahre lang die Regierungsgeschäfte führen soll.

Viele Bangkoker schlossen sich nach Büroschluss den Kundgebungen an. Etliche Firmen in der Innenstadt hatten ihren Angestellten freigegeben oder dafür gesorgt, dass sie von zu Hause aus arbeiten konnten. Die Demonstranten blockierten sitzend die teils achtspurigen Kreuzungen. Doch das Verkehrschaos blieb aus, weil der Großteil der mehr als sechs Millionen Autobesitzer die Fahrzeuge zu Hause ließ. Der öffentliche Nahverkehr auf Schienen war völlig überfüllt. Die Zugverbindung zum Flughafen funktioniere aber einwandfrei, betonte die Touristenbehörde TAT. Touristenattraktionen und Einkaufszentren seien weiterhin geöffnet.

Unterdessen formierten sich in mehreren Provinzen außerhalb Bangkoks die Anhänger der Regierung, wie eine der Anführerinnen, Thida Thavornseth, mitteilte. "Wir versuchen, Konfrontationen mit den Demonstranten in Bangkok zu verhindern", versprach Thida. Sie wolle den Demonstranten nicht Vorschub leisten, die nach ihrer Überzeugung Chaos provozieren und damit die Armee zu einem Militärputsch zwingen wollen.

(RP)
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