Zahlen der Bundesagentur für Arbeit Banden betrügen Staat bei Hartz IV um 50 Millionen Euro

Berlin · Mit falschen Angaben über Familienangehörige, Wohnungen oder geringfügige Beschäftigungen erschleichen sich Kriminelle Hartz-IV-Leistungen. Erstmals hat die Bundesagentur für Arbeit nun ermittelt, wie hoch der Schaden ist.

 Das Job-Center der Bundesagentur für Arbeit in Düsseldorf in Düsseldorf (Archiv).

Das Job-Center der Bundesagentur für Arbeit in Düsseldorf in Düsseldorf (Archiv).

Foto: Jens Ruhnau

Durch falsche Angaben bei den Job-Centern der Bundesagentur für Arbeit (BA) haben kriminelle Banden im vergangenen Jahr zu Unrecht Hartz-IV-Leistungen im Umfang von mindestens 50 Millionen Euro bezogen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervor, die unserer Redaktion vorliegt. „Die BA schätzt auf der Grundlage der stichprobenartigen Erhebungen, dass durch bandenmäßigen Leistungsmissbrauch ein Vermögensschaden von rund 50 Millionen Euro entstanden ist“, heißt es darin.

Der Antwort zufolge ist der Leistungsmissbrauch „aufgrund bandenmäßiger Kriminalität“ erstmals 2017 durch eine Umfrage unter den Job-Centern ermittelt worden. „Den Berichten zufolge lag die Anzahl der Fälle mit Leistungsmissbrauch bzw. Verdacht auf Leistungsmissbrauch bei 4400“, heißt es in der Antwort. Der Großteil der Fälle fokussiere sich auf großstädtische Ballungsräume. Konkret hätten etwa zwölf Job-Center in den Großstädten von mehr als 100 Missbrauchsfällen berichtet.

Von bandenmäßiger oder organisierter Kriminalität ist auszugehen, wenn Gruppen den Staat systematisch prellen, indem sie etwa falsche Angaben über Familienangehörige, Wohnungen oder geringfügige Beschäftigungen machen, um Hartz-IV-Leistungen zu beziehen. Neben dem bandenmäßigen Betrug dokumentiert die BA aber auch individuelle Leistungsmissbräuche. Darunter fallen Verstöße gegen Mitteilungs- und Anzeigepflichten des Beziehers der Grundleistung – etwa nicht angezeigtes Arbeitseinkommen oder Vermögen – oder auch Betrug beispielsweise durch Urkundenfälschungen.

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Foto: dpa, Oliver Berg

Die Gesamtzahl der festgestellten Missbrauchsfälle lag mit 119.541 im vergangenen Jahr nur geringfügig unter der Zahl von 2016 (121.464). Sie nahm gegenüber dem Jahr 2015 wieder deutlich um mehr als 10.000 Fälle zu. Den daraus entstandenen Schaden beziffert die BA der Antwort zufolge im vergangenen Jahr auf 54 Millionen. Rechnet man den Schaden aus bandenmäßigem Missbrauch hinzu, betrug der gesamte Schaden mehr als 100 Millionen Euro. In den Job-Centern sind die über 22.000 Mitarbeiter, die sich mit der Leistungsgewährung beschäftigen, auch dafür zuständig, Leistungsmissbräuche aufzudecken. Liegt bei ihnen ein hinreichender Verdacht vor, wird der Fall einem für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten zuständigen Mitarbeiter weitergegeben, der gegebenenfalls auch die Staatsanwaltschaften einschaltet.

Wie aus der Antwort hervorgeht, verfügen viele Job-Center nur über wenige Mitarbeiter in den Ordnungswidrigkeits-Abteilungen. Der Bundesregierung ist zudem nicht bekannt, ob die Job-Center Mitarbeiter entsprechend schulen und ob Juristen bei der Erkennung von Leistungsmissbrauch eingesetzt werden. „Das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Rechtsstaates darf nicht durch Nachlässigkeit beim Kampf gegen den Leistungsmissbrauch gefährdet werden. Die bisherigen Maßnahmen sind hierfür vollkommen unzureichend“, kritisierte der sozialpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Pascal Kober. „Das Problem wurde bisher von der Bundesregierung viel zu wenig beachtet.“

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