Paris Ausnahmezustand in Frankreichs Regierung

Paris · Justizministerin Christiane Taubira tritt im Streit um Anti-Terror-Gesetze zurück. Präsident Hollande verliert ein Aushängeschild der Linken.

"Manchmal leistet man Widerstand, indem man geht", schrieb die französische Justizministerin Christiane Taubira gestern beim Kurznachrichtendienst Twitter. In nur 137 Zeichen kommentierte die 63-Jährige ihren Abgang aus der Regierung, nur wenige Stunden bevor die Umrisse einer umstrittenen Verfassungsänderung bekannt wurden.

Dass eine solche Änderung kommen würde, hatte der sozialistische Präsident François Hollande bereits kurz nach den verheerenden Anschlägen im November angekündigt. Wie die neue Verfassung nun aussehen soll, skizzierte Regierungschef Manuel Valls vor dem Justizausschuss der Nationalversammlung. Eigentlich wäre es Taubiras Aufgabe gewesen, die Pläne vorzustellen. Doch die Justizministerin, eine Symbolfigur der Parteilinken, hatte sich wochenlang gegen den heikelsten Punkt der Änderung gewehrt: die Aberkennung der Staatsbürgerschaft für verurteilte Terroristen.

"Es sind Franzosen, die andere Franzosen getötet haben", hatte Hollande im November in seiner Rede vor beiden Parlamentskammern betont. Vier der acht Attentäter des 13. November hatten einen französischen Pass. Solche Männer und Frauen sollen künftig die Staatsbürgerschaft verlieren. Wie das genau passieren soll, will die Regierung kommende Woche in einem Gesetzentwurf vorstellen. Eines ist allerdings klar: Die Maßnahme soll für alle Franzosen gelten und nicht wie ursprünglich geplant nur für jene mit zwei Pässen. Durch diese Einschränkung sollte eigentlich nur vermieden werden, dass der Entzug der Nationalität zu Staatenlosigkeit führt. Taubira hatte aber vor der damit verbundenen Diskriminierung der vielen Einwandererkinder aus Afrika mit doppelter Staatsbürgerschaft gewarnt. Bislang kann die französische Staatsbürgerschaft nur denjenigen aberkannt werden, die sie erst im Laufe ihres Lebens erhalten haben. Wer als Franzose geboren wird, kann sie nicht verlieren - auch wenn er noch einen weiteren Pass hat.

Doch Taubira hatte auch Probleme mit dem zweiten Punkt der Verfassungsänderung, der Festschreibung des Ausnahmezustands. Die Maßnahme, die Hollande nach den Anschlägen im November verhängte, beschneidet die Befugnisse der Justiz und gibt der Polizei mehr Kompetenzen.

Die Debatte über die Pläne der Regierung führt nun Taubiras Nachfolger Jean-Jacques Urvoas. Der bisherige Vorsitzende des Justizausschusses der Nationalversammlung ist ein Gefolgsmann von Valls und für seine Kompetenz in Sicherheitsfragen bekannt. Eine größere "Kohärenz" verspreche sich Hollande von dem Jura-Professor, sagte ein Regierungssprecher. Der Präsident hatte sich bereits vor anderthalb Jahren von Parteilinken wie Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg getrennt, die seinen Kurs offen kritisiert hatten.

Die konservative Opposition freute sich über den Rücktritt Taubiras, der "das Ende der Laschheit der Justiz" bedeute, wie es der Abgeordnete Eric Ciotti formulierte. Für Hollande wird der Rückhalt mit dem Abgang der dunkelhäutigen Ministerin, die eine Hassfigur des rechtsextremistischen Front National war, allerdings kleiner. "Valls stellt die Weichen Richtung Mitte", kommentierte die linke "Libération".

So wird die Verfassungsänderung wohl mit den Stimmen der konservativen Opposition, aber ohne die der sozialistischen Parteilinken verabschiedet werden. Die könnte sich nun mit Blick auf die Präsidentenwahl 2017 einen Kandidaten suchen, der ihr mehr entspricht als der ohnehin unbeliebte Hollande.

(RP)
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